Irritables Kolonsyndrom (Hund)
Synonyme: Reizdarmsyndrom, funktionelle Kolopathie, spastisches Kolon, psychisch bedingte Kolonhypermotilität, stressbedingte Diarrhö, idiopathischer Dickdarmdurchfall
Englisch: irritable bowel syndrome
Definition
Als irritables Kolonsyndrom bezeichnet man einen Symptomkomplex beim Hund, der durch (idiopathische) rezidivierende und akute Dickdarmdurchfallepisoden gekennzeichnet ist.
Ätiologie
Bei irritablen Kolonsyndrom handelt es sich um ein funktionelles Kolonproblem unbekannter Ätiologie, das gehäuft unter äußeren Stressbedingungen auftritt.
Prädisponiert sind wesensschwache, stressanfällige und wenig belastbare Hunde. Die Erkrankung tritt aber auch bei normalen Hunden auf. Weitere prädisponierende Faktoren sind rohfaserarme Ernährung, Futterüberempfindlichkeit oder eine rezidivierende Clostridium-perfringens-Enterotoxämie.
Pathogenese
Die betroffenen Hunde zeigen weder Anzeichen einer systemischen Erkrankung noch können im Dickdarm histopathologische Veränderungen einer Kolitis oder anderen pathologischen Veränderungen gefunden werden.
Pathophysiologisch wird eine Störung der myoelektrischen Aktivität des Kolons angenommen. Die Veränderungen gehen mit einer Labilität des autonomen Nervensystems und psychischen Faktoren einher, sodass es zur Ausbildung typischer klinischer Symptome kommt.
Klinik
Betroffene Hunde zeigen unter psychischen oder physischen Belastungen (z.B. bei der Arbeit, bei Hundeprüfungen oder auf Ausstellungen) einen unwiderstehlichen Drang wiederholt Kot abzusetzen. Dieser ist zunehmend mit Schleim durchsetzt und kann bei wiederholtem Absetzen auch zunehmend breiiger und schließlich auch dickflüssig sein. Selten sind auch geringe Mengen von frischem Blut beigemengt.
Gelegentlich leiden die Tiere auch an rezidivierenden Blähungen, Übelkeit und Erbrechen. Einige Hunde zeigen auch Tenesmen oder scheinen von Koliken geplagt zu sein. Sobald Ruhe einkehrt, der Stresspegel sinkt und die Tiere in Ruhe gelassen werden, sistiert der Kotabsatzdrang, sodass der später abgesetzte Kot auch wieder eine normale Konsistenz aufweist.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind andere rezidivierende Dickdarmdurchfälle auszuschließen, z.B. verursacht durch Diätfehler, Parasitosen, Clostridienenterotoxämie und Dickdarmneoplasien.
Diagnose
Wichtig bei der Diagnosestellung ist eine ausführliche und gezielte Anamnese inkl. Futteranalyse und Erhebung der täglichen Routine. Anschließend ist eine umfangreiche klinische Untersuchung mitsamt rektaler Palpation notwendig.
Die Verdachtsdiagnose wird mittels antiparasitärer Behandlungsversuche, Fütterungsänderungen (z.B. Wechsel auf hypoallergene Diät) und unter Ausschluss verschiedener Differenzialdiagnosen mittels Endoskopie und Probennentnahmen erhärtet.
Therapie
Da es sich bei der Erkrankung um ein Syndrom handelt, dessen Auslöser oftmals nicht gänzlich vermeidbar sind, ist die Therapie individuell anzupassen. In den meisten Fällen führt nur eine Kombination mehrerer therapeutischer Maßnahmen zum Erfolg, um eine klinische Besserung erzielen zu können.
In erster Linie sind stressvolle Situationen weitgehend zu vermeiden. Zusätzlich muss der Ballaststoffgehalt im leicht verdaulichen hypoallergenen Futter durch den Zusatz löslicher Rohfasern erhöht und die Fütterung angepasst werden. Bei einigen Hunden kann durch diese Maßnahmen bereits ein Teilerfolg erzielt werden. Alternativ können noch Peristaltikmoderatoren in höherer Dosierung (z.B. Diphenoxylat 0,5-1 mg/kgKG 2-3x täglich oder Loperamid 0,1-0,2 mg/kgKG 2-3x täglich für ca. 1 Woche) verabreicht werden. Bei starkem Tenesmus ist Metamizol (20 mg/kgKG) und Butylscopolamin (0,5-0,8 mg/kgKG) indiziert.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
Bei guter Besitzercompliance und durch die Anpassung der Fütterung sowie der Gabe von Loperamid können in den meisten Fällen die Symptome drastisch reduziert werden.
Literatur
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3