Intelligenzminderung
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Synonyme: Minderbegabung, geistige Behinderung, mentale Retardierung, Intelligenzstörung
Englisch: mental retardation
Definition
Unter einer Intelligenzminderung versteht man die mangelhafte Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten bzw. der gesamten Psyche oder einen Verlust derselben durch degenerative Prozesse. Ein reduzierter Intelligenzquotient von < 70 gilt als Schwellenwert. Betroffene benötigen meist lebenslange soziale und pädagogische Hilfe.
Nomenklatur
Die Begriffe "Intelligenzminderung" und "geistige Behinderung" werden weitgehend synonym verwendet, obwohl der Begriff der geistigen Behinderung weiter gefasst ist und beispielsweise auch Defekte des Gefühlslebens umfasst. Der Begriff "Intelligenzminderung" fokussiert hingegen mehr auf die messbaren Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten. Obsolete Bezeichnungen sind z.B. Oligophrenie oder Schwachsinn.
Einteilung
Nach dem Umfang der Intelligenzminderung lassen sich verschiedene Grade der geistigen Behinderung unterscheiden. Die Beziehung zwischen Symptomen und Intelligenzquotient sind individuell variabel.
Schweregrad | ICD10-Code | Intelligenzquotient | Beschreibung |
---|---|---|---|
Leichte geistige Behinderung | F70 | 50-69 | Früher als Debilität bezeichnet. Als Erwachsene erreichen diese Menschen ein Intelligenzalter von 9 bis unter 12 Jahren. Sie können jedoch meist einfache Arbeiten selbsttätig verrichten und ihre soziale Beziehungen eigenständig pflegen. |
Mittelgradige geistige Behinderung | F71 | 35-49 | Früher Imbezillität genannt. Dies entspricht einem Intelligenzalter von 6 bis unter 9 Jahren. Als Erwachsene brauchen die Betroffenen eine situative Unterstützung im täglichen Leben und bei der Arbeit. Sie können aber ein gewisses Maß an Unabhängigkeit erreichen und verfügen über eine ausreichende Kommunikationsfähigkeit. |
Schwere geistige Behinderung | F72 | 20-34 | Als Erwachsene weisen die Betroffenen ein Intelligenzalter von 3 bis unter 6 Jahren auf. Sie können weder lesen noch schreiben und benötigen ein dauerhafte Unterstützung. |
Schwerste geistige Behinderung | F73 | < 20 | Früher als Idiotie bezeichnet. Entspricht einem Intelligenzalter von unter 3 Jahren. Die Betroffenen sind hochgradig unterstützungsbedürftig. |
Epidemiologie
Es wird vermutet, dass ungefähr drei Prozent der Bevölkerung von einer Intelligenzminderung betroffen sind. In Deutschland liegt der Anteil von geistig behinderten Personen im Schulwesen bei ca. 0,5 bis 0,6%. Sie betrifft Männer häufiger als Frauen. Etwa ⅓ der Fälle muss als schwer geistig behindert angesehen werden.
Ätiopathogenese
Die Ursachen für eine geistige Behinderung sind vielfältig:
- Genetische oder chromosomale Defekte (z.B. Trisomie 21, Fragiles-X-Syndroms, Williams-Syndroms, Trisomie 18, Trisomie 13, Mukopolysaccharidose Typ II)
- Pränatale Schädigungen (Embryopathien durch Alkohol, Drogen, Röteln, Toxoplasmose)
- Perinatale Schädigungen, z.B. Hirnblutungen, Hypoxie oder mechanische Einwirkungen.
- Postnatale Schädigungen, wie z.B. Enzephalitis, Meningitis, Impfschäden etc.
- Anfallsleiden
- Demenzen
- Zustand nach Schlaganfall
- Degenerative Prozesse im Gehirn
In nur ca. 50% der Fälle lassen sich organische Ursachen nachweisen, was jedoch nicht mit deren Abwesenheit gleichzusetzen ist, sondern vielmehr auf noch bestehende Lücken hinsichtlich der diagnostischen Möglichkeiten verweist.
Klinik
Neben kognitiven Defiziten sind bei einer geistigen Behinderung meist auch sprachliche, motorische, emotionale und soziale Defizite vorhanden. Aus diesem Grund gelten die meisten Menschen mit einer geistigen Behinderung als mehrfachbehindert.
Die Klinik hängt stark vom Intelligenzquotienten ab. Leichtgradige Intelligenzminderungen fallen häufig nur durch eine verzögerte Entwicklung auf. Die betroffenen Patienten sind in ihrem Alltag meist nur gering eingeschränkt und können in der Regel einen Schulabschluss erwerben. Menschen mit schwerstgradiger Intelligenzminderung werden hingegen häufig in Heimen für Schwerstpflegefälle versorgt, weil sie ihre Umwelt nicht verstehen und sich nicht verständlich machen können.
Differenzialdiagnose
Je nach Manifestation und Verlauf der Symptome sollte an eine Demenz gedacht werden. Im Gegensatz zur kongenitalen Intelligenzminderung, bei der die intellektuellen Fähigkeiten bereits zum Zeitpunkt der Geburt erniedrigt sind, kommt es bei der Demenz zu einem Abbau der im Leben erworbenen Fähigkeiten.
Diagnostik
Die Anamnese, in der nach der Entwicklung, dem Schulerfolg und nach dem Berufserfolg gefragt werden sollte, weist in der Regel auf die Diagnose hin. Durch einen Intelligenztest kann die Diagnose bestätigt werden.
Je nach vermuteter Ursache sollten ggf. auch neurologische und molekularbiologische bzw. humangenetische Untersuchungen durchgeführt werden.
Therapie
Die Therapie besteht in der Förderung des betroffenen Menschen (z.B. durch Förderschulen, besonderen Kindergärten oder auch betreute Heime).
Prognose
Die Prognose hängt stark von der Förderung und vom psychosozialen Umfeld ab. Wenn die Erkrankung auf einem chromosomalen Defekt oder einer Stoffwechselstörung beruht, kann die Lebenserwartung reduziert sein.
Weblinks
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