Intelligenztest
Englisch: intelligence test, IQ-test
Definition
Ein Intelligenztest ist ein standardisiertes psychologisches Diagnoseverfahren zur Erfassung kognitiver Fähigkeiten. Er misst in Abhängigkeit des theoretischen Modells verschiedene Komponenten intellektueller Leistungsfähigkeit und ordnet die individuelle Leistung anhand normierter Vergleichsdaten ein.
Hintergrund
Die Entwicklung moderner Intelligenztests basiert auf psychometrischen Modellen der Intelligenz. Der klassische Ansatz nach Spearman postuliert einen allgemeinen Intelligenzfaktor (g-Faktor), der aus Faktorenanalysen abgeleitet wurde. Mehrfaktorenmodelle, etwa nach Thurstone, gehen von mehreren relativ unabhängigen Primärfaktoren aus. Heute dominieren hierarchische Modelle, die sowohl einen allgemeinen Faktor als auch spezifische Fähigkeitsebenen integrieren.
Testtheoretische Grundlagen
Intelligenztests sind nach standardisierten Vorgaben konstruiert und normiert. Zentrale Gütekriterien sind Objektivität, Reliabilität und Validität. Die Ergebnisse werden meist in Form von Standardwerten angegeben, häufig als Intelligenzquotient (IQ) mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 15. Ergänzend werden T-Werte, Stanine und Prozentränge verwendet.
Einteilung
Unterschieden werden Power-Tests (Aufgaben mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad) und Speed-Tests (zeitlich begrenzte Aufgaben mit konstanter Schwierigkeit). Viele Tests kombinieren beide Prinzipien. Die Normierung erfolgt altersabhängig, da kognitive Leistungen entwicklungsabhängig variieren.
Testverfahren
Wechsler-Tests
Die Wechsler-Intelligenztests gehören zu den am weitesten verbreiteten Verfahren in der psychologischen Diagnostik. Die Erwachsenen-Variante Wechsler Adult Intelligence Scale (WAIS) und für Kinder die Wechsler Intelligence Scale for Children (WISC) sind umfassende Verfahren zur Erfassung der Intelligenz. Diese Testverfahren unterteilen sich typischerweise in einen verbalen und einen handlungsbezogenen bzw. performanzbezogenen Teil. Im Verbalteil werden Aufgaben gestellt wie Allgemeinwissen, Wortverständnis und Gemeinsamkeiten zwischen Begriffen. Im Handlungsteil müssen z.B. Bilder zu einer logischen Reihenfolge kombiniert werden oder anhand von Würfeln visuell-räumliche Anforderungen gelöst werden.
Intelligenz-Struktur-Test
Der Intelligenz‑Struktur‑Test (IST) basiert auf dem Mehrfaktorenmodell der Intelligenz nach Thurstone und besteht aus mehreren Untertests, z.B. Zahlenreihen ergänzen oder Analogien finden. Der Test ist darauf ausgelegt, unterschiedliche Intelligenzkomponenten (verbale, figurale, numerische) getrennt zu erfassen und so ein detaillierteres Fähigkeitsprofil zu erzeugen.
Leistungsprüfsystem
Das Leistungsprüfsystem (LPS), auch bekannt unter der Kurzform PSB (Prüfsystem für Schul- und Bildungsberatung), basiert auf der Intelligenztheorie von Thurstone. Es setzt sich aus etwa fünfzehn Untertests zusammen, die in einer vorgegebenen Zeit bearbeitet werden müssen. Es findet häufig Anwendung in der Bildungsberatung und Personalauswahl.
Progressive Matrizen-Test
Der Progressive Matrizen‑Test (PMT) zielt darauf ab, den generalisierten Intelligenzfaktor nach Charles Spearman zu erfassen und besteht ausschließlich aus power-Test-Aufgaben (d.h. Aufgaben mit steigendem Schwierigkeitsgrad). Der Test arbeitet überwiegend mit figuralen, abstrakten Matrizenaufgaben und wird oft als kulturärmeres Verfahren angesehen.
Weitere Verfahren
Es existieren zahlreiche weitere Verfahren, etwa der Stanford-Binet-Intelligenztest und die Kaufman Assessment Battery for Children (K-ABC). Zudem werden zunehmend computerbasierte und adaptive Testformate eingesetzt, die eine individualisierte Testdurchführung ermöglichen.
Anwendungsgebiete
Intelligenztests finden Anwendung in der klinischen Psychologie, Pädagogik und Arbeitspsychologie. Sie dienen u.a. der Abklärung von Intelligenzminderung oder Hochbegabung, der Beurteilung kognitiver Entwicklungsverläufe sowie der Eignungsdiagnostik in schulischen und beruflichen Kontexten.
Limitationen
Intelligenztests erfassen bestimmte Aspekte kognitiver Leistungsfähigkeit, jedoch nicht das gesamte Spektrum menschlicher Kompetenzen. Bereiche wie Kreativität und soziale oder emotionale Intelligenz werden nur begrenzt abgebildet. Darüber hinaus können die Ergebnisse können durch kulturelle, sprachliche und bildungsabhängige Faktoren beeinflusst sein. Ihre Interpretation setzt daher fundierte Kenntnisse der Testtheorie und der jeweiligen Normierungsgrundlagen voraus.
Literatur
- Rost, Intelligenz: Fakten und Mythen, korrigierter Nachdruck, Beltz, 2009
- Siegel et al., Practice Parameter for the Assessment and Treatment of Psychiatric Disorders in Children and Adolescents With Intellectual Disability (Intellectual Developmental Disorder), J Am Acad Child Adolesc Psychiatry, 2020