Intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie
Englisch: intraductal papillary mucinous neoplasm(IPMN), intraductal papillary mucinous tumour of pancreas (IPMT)
Definition
Bei der intraduktalen papillär-muzinösen Neoplasie, kurz IPMN, handelt es sich um einen primär intraduktal wachsenden epithelialen Pankreastumor, der aus muzinösen Zellen besteht. IPMN sind meist heterogen gebaut und zeigen unterschiedliche Dysplasie- und Malignitätsgrade.
Epidemiologie
Die intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie stellt mit 20-30 % aller zystischen Pankreastumoren die häufigste Entität der zystischen Pankreasneoplasien dar. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (ca. 3:2). Der Altersdurchschnitt liegt bei 60 bis 70 Jahren.
Pathologie
IPMNs, die im Pankreashauptgang entstehen, werden als "main duct type" (MDT) bezeichnet, Tumore, die in den Nebengängen lokalisiert sind, heißen entsprechend "branch duct type" (BDT). Diese Unterscheidung ist sinnvoll, da mehrere Studien gezeigt haben, dass der BDT ein weniger aggressives Verhalten aufzeigt, d.h. seltener invasiv wächst, als der MDT. Eine Kombination aus beiden Formen ist jedoch möglich.
Etwa 80 % der IPMNs finden sich im Pankreaskopf. Eine Beteiligung der Papilla Vateri und des periampullären Duodenums ist möglich. Die BDT-Variante entsteht vor allem im Processus uncinatus.
Pathohistologie
Pathohistologisch werden die nicht-invasiven IPMNs mit geringen, mäßigen oder schwergradigen Dysplasien (Adenom-, Borderline- oder Carcinoma-in-situ-Typ) von den invasiven IPMNs unterschieden. Letztere sind durch das aus ihnen hervorgehende invasive Karzinom definiert, das klinisch dem duktalen Pankreaskarzinom oder einem muzinösen Adenokarzinom entspricht.
Symptome
Die klinischen Symptome der IPMN umfassen u.a.:
- indifferente abdominelle Beschwerden
- Gewichtsverlust
- Ikterus
- Steatorrhö
- neu aufgetretener Diabetes mellitus
- akute Pankreatitis.
Im Fall einer bereits größeren Zyste kann Druck im Epigastrium und/oder Völlegefühl bestehen.
Diagnostik
- Abdomen-CT
- MRT mit MRCP (Gangbeteiligung?)
- Endosonographie (EUS) ggf. mit Feinnadelpunktion (FNP)
Therapie
Die chirurgische Resektion ist der Hauptpfeiler der therapeutischen Strategie bei der IPMN des Pankreas. Ziel ist die chirurgische R0-Resektion. Die IPMN befindet sich - wie die duktalen Adenokarzinome - vorwiegend im Pankreaskopf, somit ist die partielle Pankreatikoduodenektomie (Kausch-Whipple-Operation) der häufigste Eingriff. Bei einem diffusen Befall des Pankreasparenchyms sollte in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten die totale Pankreatektomie erwogen werden.
Konsensus-Empfehlungen
Das therapeutische Vorgehen beim BDT ist anspruchsvoller als beim MDT. In diesem Fall muss sorgfältig zwischen dem malignen Potential des Tumors und dem Operationsrisiko abgewogen werden. Hierfür wurden im Jahr 2006 die "International consensus guidelines for the treatment of branch duct IPMN" erstellt. Die Leitlinien legen nahe, dass asymptomatische Patienten nicht operiert werden, wenn
- die Neoplasie < als 3 cm ist,
- keine knotig feste Masse enthält,
- keine Dilatationen der großen Pankreasgänge vorliegt.
Im Gegensatz dazu empfehlen die Leitlinien die chirurgische Resektion bei
- bestehender Symptomatik
- bei einer Größe > 3 cm
- Vorliegen einer knotigen, festen Masse
- Dilatation der großen Pankreasgänge
IPMNs vom "branch duct type", die nicht chirurgisch reseziert werden, sollten regelmäßig radiologisch kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass sie sich nicht weiter verändern. Die Bildgebung kann per CT, EUS oder MRCP erfolgen. Sind BDT-IPMNs im Durchmesser kleiner als 1 cm, reicht eine jährliche Kontrolle aus. Patienten mit größerem BDT-IPNM sollten sich hingegen vierteljährlichen Kontrollen unterziehen.
Fukuoka-Kriterien
Seit 2012 gibt es auch die sog. revidierten Fukuoka-Kriterien, welche die Therapieempfehlung nicht mehr hauptsächlich von einer Haupt- und Nebengangbeteiligung abhängig machen. Hier wird unterschieden zwischen:
- Fukuoka-positiven IPMNs mit Hochrisiko-Stigmata
- IPMNs mit problematischen Eigenschaften ("worrisome-features") und
- Fukuoka-negativen bzw. unauffälligen IPMNs
Fukuoka-positive IPMNs haben eine deutlich erhöhtes Malignomrisiko. Hierzu gehören IPMN
- des Pankreaskopfes, die zu einem obstruktiven Ikterus geführt haben
- mit einem kontrastmittelaufnehmenden intramuralen Knötchen > 5 mm
- mit einer Erweiterung des Pankreashauptganges auf > 10 mm (sog. "main-duct IPMN")
IPMN mit problematischen Eigenschaften sind IPMNs mit:
- zystischen Läsionen > 3 cm
- verdickter, kontrastmittelaufnehmender Zystenwand
- Erweiterung des Pankreashauptganges auf 5-9 mm
- abrupter Änderung der Pankreasgangweite und distaler Atrophie
- Lymphknotennachweis
- CA 19-9-Erhöhung im Serum
- Zystenwachstum um mindestens 5 mm in 2 Jahren
- Pankreatitis
Prognose
Die intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie hat im Allgemeinen eine bessere Prognose als das duktale Adenokarzinom des Pankreas. Daneben hat die Unterscheidung zwischen nicht-invasiven und invasiven Formen eine große prognostische Bedeutung.
Patienten mit einer nicht-invasiven IPMN haben insgesamt eine sehr gute Prognose (5-Jahres-Überlebensrate von 77 %), während Patienten mit invasiv wachsender IPMN nach radikaler Resektion eine weitaus schlechtere Prognose haben (5-Jahres-Überlebensrate von 43 %). Die IPMN vom "branch duct type" hat dabei eine bessere Prognose als der "main duct type".
In etwa 10 % der Fälle ist nach chirurgischer Resektion mit einem Rezidiv zu rechnen. Todesursache bei papillär-muzinösen Karzinomen mit peripankreatischer Invasion ist meist eine Fernmetastasierung.
Quellen
- Yamaguchi K, Kanemitsu S, Hatori T, Maguchi H, Shimizu Y, Tada M, et al. ‘Pancreatic ductal adenocarcinoma derived from IPMN and pancreatic ductal adenocarcinoma concomitant with IPMN’, Pancreas 2011; 40: 571–80
- Tanaka M, Chari S, Adsay V, Fernandez-del Castillo C, Falconi M, Shimizu M, et al. ‘International consensus guidelines for management of intraductal papillary mucinous neoplasms and mucinous cystic neoplasms of the pancreas’. Pancreatology 2006; 6: 17–32
- Tanaka M, Fernandez-del Castillo C, Kamisawa T, Jang JY, Levy P, Ohtsuka T, et al. ‘Revisions of international consensus Fukuoka guidelines for the management of IPMN of the pancreas’, Pancreatology 2017; 17 :738–53
- Tanaka M, Fernandez-del Castillo C, Adsay V, Chari S, Falconi M, Jang JY, et al. ‘International consensus guidelines 2012 for the management of IPMN and MCN of the pancreas’, Pancreatology 2012; 12: 183–97
- Grützmann, Robert; Post, Stefan; Saeger, Hans Detlev; Niedergethmann, Marco: Intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie des Pankreas. Aktueller Stand von Diagnostik, Therapie und Prognose. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(46): 788-94; DOI: 10.3238/arztebl.2011.0788