Herzschrittmacher-vermittelte-Tachykardie
Synonym: Endlosschleifentachykardie
Englisch: pacemaker mediated tachycardia (PMT), endless loop tachycardia (ELT)
Definition
Eine Herzschrittmacher-vermittelte Tachykardie bezeichnet eine durch den Herzschrittmacher selbst ausgelöste oder unterhaltene tachykarde Herzrhythmusstörung. Sie tritt auf, wenn eine retrograde Erregungsleitung vom Ventrikel in den Vorhof besteht. Dadurch erkennt der Schrittmacher die retrograde Erregung fälschlich als spontanes Vorhofsignal und stimuliert erneut den Ventrikel, wodurch ein Reentry-Mechanismus entsteht.
Die Herzschrittmacher-vermittelte Tachykardie zählt zu den Herzschrittmacher-Fehlfunktionen.
Hintergrund
Bei normaler Funktion synchronisiert der Herzschrittmacher die Herzaktion von Vorhof und Ventrikel. Bei einer Herzschrittmacher-vermittelten Tachykardie entsteht jedoch eine pathologische Schleife: Eine ventrikuläre Stimulation führt zu einer retrograden Depolarisation des Vorhofs (VA-Konduktion), die vom Gerät als spontane atriale Aktivität interpretiert wird. Nach Ablauf der atrioventrikulären Verzögerungszeit (AV-Delay) stimuliert der Schrittmacher erneut den Ventrikel, wodurch ein endloser Reentry-Kreislauf entsteht.
Ursache
Die Ursachen der Herzschrittmacher-vermittelten Tachykardie lassen sich unterteilen:
- Ventrikuläre Extrasystolen
- Fehlendes oder zu kurzes postventrikuläres atriales Refraktärintervall (PVARP)
- Elektromagnetische Interferenzen oder Myopotential-Sensing
- Fehlinterpretation retrograder P-Wellen bei hohem atrialem Gain (Empfindlichkeit)
- Fehlfunktionen nach Schrittmacher-Umschaltung (Magnettest, Moduswechsel)
Eine Herzschrittmacher-vermittelte Tachykardie tritt v.a. bei dual-kammerfähigen Geräten (DDD- oder VDD-Modus) mit atrialem Sensing auf und setzt eine funktionierende retrograde Leitung voraus. Selten kann eine Herzschrittmacher-vermittelte Tachykardie auch bei sensorbasierten Systemen (z.B. Closed Loop, Rate-Response) durch Fehlsignale ausgelöst werden.
Pathophysiologie
Der Mechanismus beruht auf einer Rückkopplungsschleife: Der Herzschrittmacher stimuliert den Ventrikel (Pacing). Die Erregung breitet sich retrograd über den AV-Knoten in den Vorhof aus. Der Schrittmacher erkennt diese retrograde P-Welle als spontanes Vorhofsignal. Nach Ablauf der atrialen Refraktärzeit triggert er eine neue ventrikuläre Stimulation.
So entsteht eine endlose Reentry-Schleife mit fester Zykluslänge, abhängig von der AV- und VA-Leitungszeit.
Symptome
Symptome variieren von Palpitationen, Schwindel und Leistungseinschränkung bis zu Synkopen. Bei Patienten mit eingeschränkter ventrikulärer Funktion kann eine andauernde Herzschrittmacher-vermittelte Tachykardie zu hämodynamischer Insuffizienz führen. Da die Frequenz häufig der oberen Tracking-Rate entspricht, ist die Tachykardie meist regelmäßig, schrittmachergetrieben und mit einer Frequenz von 110 bis 130/min detektiert.
Diagnostik
Im EKG zeigt sich eine regelmäßige, schrittmachergetriebene Tachykardie mit ventrikulären Stimulationsspikes und retrograder P-Welle nach jedem QRS-Komplex. Die atrialen Erregungen folgen den ventrikulären Spikes retrograd (VA-Intervall meist 150–250 ms)
Therapie
In der Akutsituation kann die Tachykardie durch Magnetauflage oder Reprogrammierung (z.B. VVI-Modus) unterbrochen werden. Anschließend sollte eine Weiterbehandlung durch einen Kardiologen mit Device-Expertise erfolgen, um die Umprogrammierung des Herzschrittmachers sicherzustellen.
Prophylaxe
Zur Prophylaxe einer Herzschrittmacher-vermittelte Tachykardie dienen verschiedene Parameter:
- Verlängerung der postventrikulären atrialen Refraktärzeit (PVARP)
- Aktivierung von PMT-Unterdrückungsalgorithmen (PMT-Termination-Algorithmus)
- Optimierung der atrialen Sensoreinstellungen
- Behandlung auslösender Rhythmusstörungen oder Trigger (z.B. Extrasystolen, Vorhofflimmern)
Literatur
- Abu‑haniyeh et al., Pacemaker Mediated Tachycardia, StatPearls, 2023
- Kleemann et al., Akute Notfälle bei Schrittmacherträgern, Der Kardiologe, 2015
- Gertsch, Das EKG auf einem Blick und im Detail, 1. Aufl., Springer, 2007
- Fröhlig et al., Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie, 3. Aufl., Georg Thieme Verlag, 2020
- Volz et al., Herzschrittmacherkontrolle, 2. Aufl., Elsevier, 2011
- Gazarek et al., Herzschrittmacher-Nachsorge für Einsteiger, 2. Aufl., Springer, 2023