HRV-Biofeedback
Synonym: Herzfrequenzvariabilität-Biofeedback
Englisch: heart rate variability biofeedback
Definition
Das HRV-Biofeedback ist ein Biofeedback-Verfahren, bei dem Patienten über technische Geräte Rückmeldung über ihre Herzfrequenzvariabilität (HRV) erhalten. Durch gezieltes, langsames Atmen sollen sie erlernen, diese Variabilität bewusst zu beeinflussen. Das Ziel ist es, das vegetative Nervensystem (insbesondere das Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus) zu regulieren und somit Stress zu reduzieren.
Hintergrund
Die Herzfrequenzvariabilität beschreibt die natürlichen Schwankungen der Zeitintervalle zwischen zwei Herzschlägen. Eine hohe HRV gilt als Zeichen einer guten Anpassungsfähigkeit des autonomen Nervensystems, während eine niedrige HRV oft mit Stress, Erschöpfung oder Krankheit assoziiert ist. Beim HRV-Biofeedback wird die HRV in Echtzeit gemessen (z.B. über einen Pulssensor oder ein EKG) und am Bildschirm sichtbar gemacht.
Physiologie
Während des Resonanzatmens wird der Baroreflex, also der kurzfristige Regelkreis zwischen Blutdruck und Herzfrequenz, trainiert. Durch das langsame Atmen und die rhythmische Aktivierung des Vagusnervs wird der Parasympathikus gestärkt, während der Sympathikustonus sinkt. Das führt zu einer erhöhten HRV, besserer emotionaler Regulation und – über den sogenannten cholinergen antiinflammatorischen Signalweg – möglicherweise auch zu einer Reduktion systemischer Entzündungsprozesse.
Anwendungsgebiete
HRV-Biofeedback wird in unterschiedlichen medizinischen Bereichen untersucht und angewendet:
- Psychosomatik und Psychiatrie: Angststörungen, Depressionen, PTBS
- Kardiologie: arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, Stress-induzierte Rhythmusstörungen
- Schmerzmedizin: chronische Schmerzen, Spannungskopfschmerz
- Sportmedizin und Prävention: Regeneration, Leistungssteigerung, Stressmanagement
In der Praxis dient HRV-Biofeedback häufig als Ergänzung zu Psychotherapie oder medikamentöser Behandlung.
Durchführung
Das Training beginnt i.d.R. mit der Bestimmung der individuellen Resonanzfrequenz, also der Atemrate, bei der die HRV maximal ansteigt. Dazu atmen die Patienten in einem bestimmten Rhythmus, meist etwa sechs Atemzüge pro Minute. Anschließend folgen mehrere Sitzungen, in denen die Patienten mithilfe von Echtzeit-Grafiken lernen, ihre Atmung bewusst zu steuern. Zwischen den Sitzungen werden tägliche Übungen zu Hause (10–20 Minuten) empfohlen.
Als Zielparameter gelten u.a. ein Anstieg der HRV (messbar z.B. anhand RMSSD, HF-Power) und eine verbesserte subjektive Stressregulation.
Wirksamkeit
Klinisch zeigen sich Verbesserungen der:
- HRV-Werte (vagale Aktivität)
- Blutdruckregulation
- Emotionsregulation und Konzentrationsfähigkeit
Die Effekte hängen jedoch stark von der Regelmäßigkeit des Trainings und der Motivation der Teilnehmenden ab.
Mehrere Metaanalysen zeigen, dass HRV-Biofeedback Stress, Angst und depressive Symptome signifikant reduziert. Die Effektstärken liegen überwiegend im mittleren Bereich. Diese Ergebnisse sind jedoch vorsichtig zu bewerten, da die meisten Studien sehr kleine Stichprobengrößen aufweisen.[1] Dadurch kann es zu verzerrten bzw. überschätzten Effektstärken kommen. Darüber hinaus erschweren Unterschiede bei Messmethoden, Geräten und Protokollen den Vergleich. Auch ist die Dauerhaftigkeit der Effekte noch nicht ausreichend untersucht.
Nebenwirkungen
Das Verfahren gilt als sicher und gut verträglich. Unerwünschte Wirkungen wie Schwindel oder Kurzatmigkeit treten selten und überwiegend zu Beginn auf, wenn die langsame Atmung noch ungewohnt ist.
Literatur
- Lehrer und Gevirtz, Heart rate variability biofeedback: how and why does it work?, Front Psychol, 2014
- Shaffer und Meehan, A Practical Guide to Resonance Frequency Assessment for Heart Rate Variability Biofeedback, Front Neurosci, 2020
- Goessl et al., The effect of heart rate variability biofeedback training on stress and anxiety: A meta-analysis. Psychol Med, 2017
- Pizzoli et al., A meta-analysis on heart rate variability biofeedback and depressive symptoms. Sci Rep. 2021
- Steffen et al., The Impact of Resonance Frequency Breathing on Measures of Heart Rate Variability, Blood Pressure, and Mood, Front Public Health, 2017
Quellen
- ↑ Button KS, Ioannidis JP, Mokrysz C, Nosek BA, Flint J, Robinson ES, Munafò MR. Power failure: why small sample size undermines the reliability of neuroscience. Nat Rev Neurosci. 2013 May;14(5):365-76. doi: 10.1038/nrn3475. Epub 2013 Apr 10. Erratum in: Nat Rev Neurosci. 2013 Jun;14(6):451. PMID: 23571845.