Skew-Deviation
von englisch: skew - schief, schräg
Synonyme: Hertwig-Magendiesche Schielstellung, Hertwig-Magendie-Syndrom
Englisch: skew deviation
Definition
Bei der Skew-Deviation handelt es sich um eine asymmetrische, vertikale Schielstellung, die durch eine Störung der Okulomotorik verursacht wird.
Terminologie
Die alternative Bezeichnung "Hertwig-Magendie-Syndrom" geht auf den deutschen Veterinärmediziner Carl Heinrich Hertwig (1798–1881) und den französischen Physiologen François Magendie (1783–1855) zurück.
Ätiologie
Mögliche Auslöser einer Skew-Deviation sind:[1]
- akuter unilateraler Vestibularausfall ("Neuritis vestibularis", fast immer unter 3° und somit klinisch nicht erkennbar)[2]
- Hirninfarkte
- Multiple Sklerose
- Tumoren
- Hirnabszesse
- intrakranielle Blutungen
- neurochirurgische Eingriffe
- intrakranielle Druckerhöhung
Die ursächlichen Läsionen können dabei folgende Strukturen betreffen:[1][3]
Pathophysiologie
Pathophysiologisch wird vor allem eine einseitige Unterbrechung des utrikulookulären Neuronenpfades vermutet.[1] Hierbei handelt es sich um Projektionen von den utrikulären Otolithen zu den Vestibulariskernen und von diesen aus über den FLM (z.T. auch über weitere, polysynaptische Pfade mit Einschluss des Zerebellums) zu den Kerngebieten der okulomotorischen Hirnnerven. Eine Seitenkreuzung dieser Projektionen findet dabei im Pons statt.[1]
Eine Schädigung des utrikulookulären Pfades führt zu einer fehlerhaften Einschätzung der Horizontalebene, sodass der Hirnstamm bei senkrecht gestellter Halswirbelsäule eine Neigung des Kopfes zur Seite der noch erhaltenen Utrikularinformation errechnet. Aufgrund der o.g. Seitenkreuzung erzeugen Läsionen bis zum kaudalen Pons daher eine ipsiläsionale Hypotropie, solche des oberen Pons und des Mesenzephalons eine kontraläsionale Hypotropie.[1]
Zum Ausgleich der fehlerhaft errechneten Kopfneigung kann zusätzlich eine Ocular-Tilt-Reaktion mit Kopfneigung und konjugierter Zykloduktion zum hypotropen Auge erfolgen.[1]
Klinik
Die Symptome sind sehr variantenreich und abhängig vom Sitz der Läsion. Sie werden meist von weiteren neurologischen Defiziten begleitet. Typischerweise besteht eine beidseitige Zykloversion mit Schrägstellung des Kopfes (Ocular-Tilt-Reaktion). Dabei wird das höherstehende Auge nach innen gedreht (Intorsion), das tiefer stehende Auge nach außen (Extorsion).[4] Es kann sich um eine konkomitantes, inkomitantes oder je nach Blickrichtung alternierendes Schielen handeln.[1]
Die Betroffenen klagen über Doppelbilder, die vertikal oder gekippt versetzt sein können.
Diagnostik
Eine Skew-Deviation wird im alternierenden Abdecktest ("Test of Skew") diagnostiziert.
Die weitere Diagnostik richtet sich nach der vermuteten Ursache. In jedem Fall sollte eine Hirnstammdarstellung mittels MRT erfolgen.
Differenzialdiagnostik
Differentialdiagnostisch muss eine Hypertropie infolge einer Trochlearisparese abgegrenzt werden. Die Trochlearisparese zeigt jedoch ein typisches Verhalten im Parks-Bielschowsky-Test. Außerdem besteht eine – eventuell fundoskopisch verifizierbare – Extrozyklotropie des hypertropen Auges. Bei der Skew-Deviation ist hingegen eine Introzyklotropie typisch. Auch bessert sich eine Skew-Deviation im Liegen, während eine Trochlearisparese hierauf nicht anspricht.[1]
Eine klinisch sichtbare Skew-Deviation gilt zudem als Zeichen, um bei einem akuten vestibulären Syndrom zwischen einer zentraler Genese (Pseudoneuritis vestibularis) und einer peripheren Ursache (akute unilaterale Vestibulopathie bzw. "Neuritis vestibularis") zu differenzieren. Eine klinisch nicht erkennbare Skew-Deviation sowie ein pathologischer Kopfimpulstest (KIT) und ein unidirektionaler Nystagmus sprechen dabei eher für eine Vestibulopathie.
siehe auch: HINTS
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Wong, Understanding skew deviation and a new clinical test to differentiate it from trochlear nerve palsy, Journal of the American Association for Pediatric Ophthalmology and Strabismus, 2016.
- ↑ Korda et al., Acute vestibular syndrome: is skew deviation a central sign? Journal of Neurology, 2021.
- ↑ Bhidayasiri et al., A hypothetical scheme for the brainstem control of vertical gaze, Neurology, 2000.
- ↑ Brodsky, Three dimensions of skew deviation, Br J Ophthalmol, 2003