Coxa antetorta
Definition
Unter einer Coxa antetorta versteht man eine Fehlstellung des Oberschenkelhalses in der Transversalebene, bei der eine Verdrehung nach ventral vorliegt. Der Antetorsionswinkel ist dadurch größer als normal. Die gegensinnige Verdrehung nennt man Coxa retrotorta.
- ICD10-Code: Q65.9 - Angeborene Deformität der Hüfte, nicht näher bezeichnet
Hintergrund
Die Torsion des Schenkelhalses ist altersabhängig: Beim Erwachsenen bildet der Schenkelhals bei Ansicht von kranial einen nach ventral ausgerichteten Winkel von 12°. Bei einer Coxa antetorta ist der Winkel größer als 20°, sodass der Kopf in Relation zur Hüftgelenkspfanne mehr ventral steht.
Beim Neugeborenen beträgt dieser Antetorsionswinkel ca. 30°. Im Rahmen der normalen Entwicklung reduziert sich die Antetorsion durch die zunehmende Aufrichtung beim Stehen und Gehen. Dies wird vermittelt durch Zugkräfte, die über das Ligamentum iliofemorale sowie dem Musculus gluteus maximus und dem Musculus psoas major auf das Femur wirken.
Ätiologie
- primäre Coxa antetorta: angeborene bzw. idiopathische Form, die meist beidseits auftritt; vermutet wird aktuell (2019) eine genetische Prädisposition
- sekundäre Coxa antetorta: u.a. bei Hüftdysplasie, infantiler Zerebralparese oder posttraumatisch
Biomechanik
Durch die verstärkte Antetorsion kommt es zu einer Annäherung des Trochanter major an das Hüftgelenk. Dadurch vermindert sich der wirksame Hebelarm für die Hüftabduktoren. Der Schenkelhals übt einen erhöhten Druck auf den vorderen Pfannenbereich aus, wenn das Bein in der Neutralstellung steht. Bei Innenrotation normalisiert sich die Belastung weitgehend.
Symptome
Eine Coxa antetorta hat eine Innenrotation des Knies und damit verbunden des Fußes zur Folge. Es kommt zum innenrotierten Gangbild mit einer nach innen weisenden Fußspitze. Dieser Einwärtsgang ist ein häufiges Symptom im Wachstumsalter, von dem etwa 13 % aller Kinder betroffen sind. Die Außenrotationsfähigkeit ist stark eingeschränkt.
Diagnostik
- Anamnese: Stolperneigung, bevorzugtes Sitzen im umgekehrten Schneidersitz (Najadensitz), frühere Hüftgelenkserkrankungen oder Traumata
- Körperliche Untersuchung: Beurteilung von Beinachse, Gangbild und Oberschenkelmuskulatur
- Klinische Antetorsionsbestimmung: Der Untersucher rotiert mit einer Hand den im Kniegelenk angebeugten Unterschenkel, während die andere Hand den Trochanter major tastet und spürt, wann dieser lateral am stärksten vorsteht. Die Antetorsion wird bei maximaler Lateralisation des Trochanters anhand der Abweichung des Unterschenkels von der Senkrechten abgelesen.
- Konventionelles Röntgen: Beckenübersichtsaufnahme und Antetorsionsaufnahme nach Rippstein zur Bestimmung des reelen Antetorsionswinkels.
- ggf. Sonographie, Magnetresonanztomographie, Computertomographie
Differenzialdiagnosen
Therapie
Bei einer idiopathischen Coxa antetorta kommt es in nahezu 90 % der Fälle zu einer Spontankorrektur während der Wachstumsphase. Außerdem handelt es sich nicht um eine präarthrotische Deformität. Daher beschränkt sich das ärztliche Handeln zunächst auf eine beratende Aufklärung. Eine beschwerdefreie idiopathische Coxa antetorta muss i.d.R. erst nach den Wachstumsschüben kontrolliert werden. Konservative Maßnahmen sind nicht indiziert.
Auch eine posttraumatisch isolierte Coxa antetorta zeigt im Wachstumsalter eine Tendenz zur Selbstkorrektur.
Chirurgische Maßnahmen kommt bei ausbleibender Spontankorrektur sowie im Falle einer Hüftpfannendysplasie und massiven Gangstörungen in Frage. Wenn der reele Antetorsionswinkel im 8. bis 10. Lebensjahr deutlich über 50° beträgt, kann eine intertrochantäre Umstellungsosteotomie (Derotation) erforderlich sein. Eine Korrekturosteotomie nach posttraumatischer Coxa antetorta erfolgt erst nach Wachstumsabschluss.
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie AWMF-Leitlinie Idiopathische Coxa antetorta, 01.04.2002, abgerufen am 21.10.2019