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Biopharmazeutisches Klassifizierungssystem

Englisch: biopharmaceutics classification system

1. Definition

Das biopharmazeutische Klassifizierungssystem, kurz BCS, teilt Arzneistoffe nach ihren biopharmazeutischen Eigenschaften ein. Es ermöglicht eine Einschätzung der Bioverfügbarkeit sowie der pharmakokinetischen Eigenschaften eines Arzneistoffes.

2. Hintergrund

Damit ein peroral applizierter Arzneistoff bioverfügbar wird, muss er zuerst in Lösung gehen und anschließend über das Darmepithel in den Kreislauf aufgenommen werden. Diese Teilschritte werden durch verschiedene Prozesse und Stoffe beeinflusst. Durch geeignete Formulierungsentwicklung kann u.a. auf die Magenentleerung, lokale pH-Werte und Permeabilität Einfluss genommen werden. Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind z.B.:

Diese Faktoren können durch in vitro-Versuche abgebildet werden. Dabei wird versucht, dass die Experimente möglichst den realen Bedingungen nahe kommen (Biorelevanz), sodass eine Vorhersage der in vivo-Eigenschaften eines Arzneistoffs möglich ist. Dieser Zusammenhang wird als in vivo/in vitro-Korrelation (IVIVC) bezeichnet.

3. Klassifizierungssystem

Das BCS teilt Arzneistoffe hinsichtlich ihrer Löslichkeit und Permeabilität in vier Klassen ein:

Klasse Löslichkeit Permeabilität
hoch hoch
2 niedrig hoch
3 hoch niedrig
4 niedrig niedrig

Die verschiedenen BCS-Klassen treffen eine Aussage über die Bioverfügbarkeit der Arzneistoffe:

  • Klasse I: Hohe Bioverfügbarkeit, die von der Arzneiform unabhängig ist.
  • Klasse II: Die schlechte Löslichkeit bremst die Resorption. Die Auflösung ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt.
  • Klasse III: Die Arzneistoffe gehen zwar gut in Lösung, werden aber nur schlecht resorbiert. Die Resorption ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt.
  • Klasse IV: Die Bioverfügbarkeit ist unabhängig von der Arzneiform gering. Der Arzneistoff wird häufig parenteral gegeben.

Innerhalb des BCS wird das zu erwartende Verhalten der Arzneistoffe durch drei dimensionslose Parameter beschrieben:

Parameter  Formel Bedeutung
Dissolutionszahl DN MRT / MDT Anteil der Freisetzung des Wirkstoffes an der gesamten Verweildauer im Darm
Absorptionszahl AN MRT / MAT Maß für die Geschwindigkeit, mit der ein Stoff nach seiner Auflösung aus dem Darm aufgenommen wird
Dosiszahl DO Dosismax / (250 ml x CS) Beschreibt, wie oft das zur Einnahme des Wirkstoffs aufgenommene Volumen von 250 ml nötig ist, um die gesamte Dosis eines Wirkstoffs bei einem bestimmten pH-Wert in Lösung zu bringen
  • MRT = mittlere Verweildauer des Stoffes im Darm (mean residence time)
  • MDT = mittlere Dissolutionsdauer (mean dissolution time)
  • MAT = mittlere Absorptionsdauer (mean absorption time)
  • CS = Sättigungslöslichkeit am pH-Wert der schlechtesten Löslichkeit

Eine große Absorptions- und Dissolutionszahl sowie eine kleine Dosiszahl sprechen für eine hohe Bioverfügbarkeit.

4. Ermittlung der in vitro-Eigenschaften

4.1. Löslichkeit

Die Löslichkeit eines Arzneistoff wird im BCS-System als hoch bewertet, wenn sich die höchste therapeutische Einzeldosis in maximal 250 ml Wasser über einen pH-Bereich von 1,2 bis 6,8 vollständig auflösen lässt. Die Bestimmung erfolgt bei 37±1°C und bei drei pH-Werten über die Saturation-Flask-Methode (SFK). Hierbei wird ein Überschuss an Feststoff von 5 bis 10 mg/5 ml Flüssigkeit für 24 Stunden auf einer Rüttelplatte gelöst, anschließend das Sediment abgetrennt und die in Lösung gegangene Wirkstoffkonzentration bestimmt.

4.2. Permeabilität

Ein Arzneistoff gilt als hoch permeabel, wenn im Vergleich zu einer intravenösen Gabe mindestens 90 % der peroral zugeführten Dosis resorbiert werden. Die Membranpermeabilität kann in vivo über Darmperforationsstudien am Menschen oder im Tiermodell sowie in vitro über Permeationsstudien an freigelegtem Darmgewebe oder Transwell-Systemen durchgeführt werden.

5. Verwendung

5.1. ...für die Formulierung von Arzneiformen

Nach der Einteilung in die Klassen wird schnell ersichtlich, wo das Hauptaugenmerk der Entwicklungsaufgabe liegen muss, um eine ausreichende Bioverfügbarkeit zu erzielen: Bei Arzneistoffen der Klasse 2 muss die Löslichkeit erhöht werden, bei solchen der Klasse 3 die Permeabilität. Über Methoden der pharmazeutischen Technologie können diese Eigenschaften gezielt beeinflusst werden:

Die Verbesserung beider Eigenschaften stellt sich als äußerst schwierige Aufgabe dar, die z.B. durch Verwendung von flüssigkeitsgefüllten Kapseln mit resorptionssteigernden Hilfsstoffen, wie es in selbstemulgierenden Systemen verwirklicht ist, erzielt werden kann. Die Schwierigkeit dieser Entwicklungsaufgabe stellt den Grund dar, warum Arzneistoffe der Klasse 4 nur in Ausnahmefällen als perorale Arzneiform formuliert werden.

5.2. ...für die Arzneimittelzulassung

Das BCS ist für die Zulassungspraxis von Bedeutung. Da bei Arzneistoffen der Klasse 1 die Bioverfügbarkeit von der Arzneiform unabhängig ist, kann bei der Zulassung von Generika auf die Verwendung von Bioäquivalenzstudien verzichtet werden. Dieses Verfahren wird als "Biowaiver" bezeichnet. Weitere Voraussetzungen für einen Biowaiver sind unter anderem eine in vitro-Freisetzung von >85 % innerhalb von 30 Minuten ("immediate release"), eine große therapeutische Breite und eine ausreichende Stabilität des Wirkstoffs.

6. Quellen

7. Literatur

Fachgebiete: Pharmazie

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