Opioid
von altgriechisch: ὄπιον ("opion") - Opium
Definition
Opioid ist ein Sammelbegriff für eine strukturell heterogene Gruppe natürlicher, halbsynthetischer und synthetischer Arzneistoffe, die an Opioidrezeptoren wirksam sind und morphinartige Eigenschaften aufweisen.
Nomenklatur
Die Begriffe "Opioid" und "Opiat" werden im klinischen Sprachgebrauch weitgehend synonym verwendet. Im engeren Sinn bezeichnet der Terminus "Opiat" jedoch nur die natürlichen Alkaloide, die aus dem Schlafmohn (Papaver somniferum) gewonnen werden.
Pharmakologie
Opioide vermitteln ihre Wirkung durch Interaktion mit Opioidrezeptoren. Sie finden sich vor allem in verschiedenen Teilen des ZNS, aber auch in anderen Körpergeweben, u.a. im Darm. Sie lassen sich in 3 Gruppen einteilen:
- μ-Rezeptoren (MOR)
- κ-Rezeptoren (KOR)
- δ-Rezeptoren (DOR)
Einteilung
...nach Wirkprofil
Reine Agonisten
Opioide mit rein agonistischer Wirkung binden mit hoher Affinität an μ-Rezeptoren und haben hier eine ausschließlich aktivierende Wirkung. Die Wirkung dieser Opioide lässt sich durch Antagonisten komplett aufheben. Die Kombination reiner Agonisten mit Opioiden mit gemischt agonistisch-antagonistischer Wirkung schwächt ihre Wirkung ab. Fast alle Opioidanalgetika sind reine Agonisten, z.B. Morphin, Codein, Fentanyl, Tramadol und Pethidin.
Gemischte Agonisten-Antagonisten
Gemischt agonistisch-antagonistisch wirkende Opioide haben ein komplexes Wirkprofil. An μ-Rezeptoren haben sie eine schwache intrinsische Aktivität, woraus eine antagonistische Wirkung resultiert. An den κ-Rezeptoren und δ-Rezeptoren ist ihre intrinsische Aktivität hingegen hoch. Im Gegensatz zu den reinen Agonisten zeigen sie einen Ceiling-Effekt, d.h. durch steigende Dosierungen lässt sich ihre Wirkung nicht weiter verstärken. Vertreter dieser Gruppe sind u.a. Pentazocin, Butorphanol und Nalbuphin.
Partialagonisten
Der einzige pharmakologisch genutzte Vertreter dieser Gruppe ist das Buprenorphin, das eine hohe Affinität zu μ-Rezeptoren aufweist und eine etwa 30-mal stärkere Aktivität als Morphin zeigt. Buprenorphin hat die längste Wirkdauer aller Opioide.
Reine Antagonisten
Reine Antagonisten wirken an allen Rezeptortypen als kompetitive Antagonisten – jedoch mit unterschiedlicher Affinität. Sie werden meist zur Aufhebung von agonistischen Opioid-Wirkungen eingesetzt, z.B. bei der Beendigung der Narkose oder als Antidot bei einer Opiatintoxikation. Wirkstoffe dieser Gruppe sind Naloxon und Naltrexon.
Chemie
Die Bindung von Opioiden an den µ-Opioidrezeptor wird durch ihre Grundstruktur ermöglicht, die aus einem durch Piperidin substituierten Benzolring besteht. Dieses Pharmakophor bildet die Basis für die Entwicklung zahlreicher Derivate, darunter auch. Oxycodon oder Hydrocodon. Eine Öffnung des Piperidinrings führt zu einem Wirkverlust, mit Ausnahme von Methadon, das trotz Öffnung des Piperidinrings eine höhere Wirkintensität als Morphin hat. Ersetzt man die N-Methylgruppe im Piperidinring, können Agonisten in Opioidrezeptorantagonisten umgewandelt werden.
Sobald die chemische Struktur von Morphin bekannt war, diente es als Leitsubstanz für die Entwicklung synthetischer Opioide wie Morphinanen oder Benzomorphanen (s. Abbildung). Morphinane behalten das Phenanthrengerüst bei, jedoch ohne die Etherbrücke. Zu den Morphinanen gehört z.B. Dextrometorphan, das als Antitussivum verwendet wird. Verkürzt man die Struktur weiter auf ein trizyklisches Ringsystem, erhält man Benzomorphane, wie z.B. Pentazocin.[1]
Wirkstoffe
- Alfentanil
- Apomorphin
- Buprenorphin
- Butorphanol
- Carfentanyl
- Codein
- Dihydrocodein
- Dihydroetorphin
- Diprenorphin
- Etorphin
- Fentanyl
- Heroin
- Hydrocodon
- Hydromorphon
- Levomethadon
- Levorphanol
- Loperamid
- Meptazinol
- Methadon
- Morphin
- Nalbuphin
- Naloxon
- Naltrexon
- Ohmefentanyl
- Oxycodon
- Pentazocin
- Pethidin
- Piritramid
- Remifentanil
- Sufentanil
- Tapentadol
- Tilidin
- Tramadol
Wirkungen
Therapeutische Wirkungen
- Analgesie: Hauptindikation von Opioiden. Wird in erster Linie über MOR, daneben über KOR vermittelt. Opioid-Analgetika werden in den Stufe 2 und 3 des WHO-Stufenschemas zur Therapie chronischer Schmerzen und bei Akutschmerzen eingesetzt. Die analgetische Potenz eines Opioids bemisst sich an seiner Wirkstärke im Vergleich zu Morphin.
- Sedierung: Wird über KOR vermittelt. Im Rahmen der Narkose und Analgosedierung erwünscht, kann aber bei einigen Indikationen auch als unerwünschte Wirkung aufgefasst werden. Opioide führen in therapeutischen Dosen nicht zu einer Ausschaltung des Bewusstseins.
- Antitussive Wirkung: Codein und Noscapin werden als Antitussiva zur Hustenlinderung eingesetzt.
Unerwünschte Wirkungen
- Atemdepression
- Miktionsstörung (Harnverhalt)
- Obstipation
- Nausea, Erbrechen
- Tonussteigerung des Musculus sphincter Oddi (ggf. Sekretstau im Pankreas)
- zentrale Sympathikolyse: Dämpfung der Sympathikusaktivität mit Bradykardie und Hypotonie. Kann bei der Therapie des akuten Myokardinfarkts auch als therapeutische Wirkung aufgefasst werden, da sie zur Entlastung des Herzens und zur Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs führt.
- Miosis
- Hirndruckanstieg
- Abhängigkeit
- Pruritus[2]
Labormedizin
Im Urin-Schnelltest auf Opioide kann es durch Kreuzreaktionen mit Chinin, Dextromethorphan, Diphenhydramin, Doxepin, Doxylamin, Fluorchinolone (Ofloxacin, Levofloxacin), Phenothiazine, Quetiapin und Rifampicin zu falsch-positiven Ergebnissen kommen.[3][4]
Quellen
- ↑ Sticher, O., Heilmann, J. & Zündorf, I. (2015). Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie, S. 117.
- ↑ Juckreiz durch Arzneimittel, Congress Selection Pneumologie Allergologie, August 2022, abgerufen am 17.07.2024
- ↑ Pfäffli M et al. Urinschnelltests (Immunoassays) auf Drogen und Medikamente. Schweiz Med Forum 2013
- ↑ Dicheva-Radev S. Falsch-positiver Test auf Amphetamin unter Methyldopa. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 02/2024, abgerufen am 17.07.2024