Methylentetrahydrofolat-Reduktase-Mangel
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1. Definition
Der Methylentetrahydrofolat-Reduktase-Mangel (MTHFR-Mangel) bezeichnet eine genetisch bedingte, enzymatische Funktionsstörung der Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR). Das Enzym katalysiert die Reduktion von 5,10-Methylentetrahydrofolat zu 5-Methyltetrahydrofolat, einer Schlüsselsubstanz im Ein-Kohlenstoff-Stoffwechsel, die die Remethylierung von Homocystein zu Methionin ermöglicht.
2. Genetik
Der MTHFR-Mangel wird durch Mutationen im MTHFR-Gen auf Chromosom 1q36.22 verursacht. Die häufigsten Polymorphismen sind:
- C677T (rs1801133): Führt zu einer thermolabilen Enzymvariante mit reduzierter Aktivität (30–70 % Aktivitätsverlust bei heterozygoten bzw. homozygoten Trägern).
- A1298C (rs1801131): Beeinträchtigt die Enzymfunktion in milderem Ausmaß, kann jedoch synergistisch mit C677T wirken.
Homozygote oder zusammengesetzte heterozygote Träger dieser Mutationen weisen ein höheres Risiko für klinische Manifestationen auf.
3. Pathophysiologie
Eine verminderte Aktivität der MTHFR führt zu einer reduzierten Synthese von 5-Methyltetrahydrofolat. Dies hat zur Folge:
- Hyperhomocysteinämie: Durch unzureichende Remethylierung von Homocystein zu Methionin.
- Gestörter Methylierungshaushalt: Aufgrund des Methionin- und S-Adenosylmethionin-Mangels (SAM).
- Reduzierte DNA-Synthese und -Reparatur: Infolge einer beeinträchtigten Bereitstellung von Ein-Kohlenstoffgruppen.
4. Klinik
Die Symptome sind heterogen und umfassen:
- Neurologische Störungen: Depression, Angst, kognitive Beeinträchtigungen, Migräne und Epilepsie.
- Kardiovaskuläre Komplikationen: Hyperhomocysteinämie gilt als Risikofaktor für Atherosklerose, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Thrombosen.
- Geburtshilfliche Probleme: Wiederholte Fehlgeburten, Präeklampsie, Plazentainsuffizienz und ein erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte beim Fötus.
- Hämatologische Auffälligkeiten: Mikroangiopathien und Hyperkoagulabilität.
5. Diagnostik
- Genetische Analyse: Nachweis der C677T- und A1298C-Polymorphismen mittels PCR oder Sequenzierung.
- Homocysteinspiegel: Erhöhte Plasmakonzentrationen (>15 µmol/L) weisen auf eine gestörte Homocysteinverwertung hin.
- Vitaminspiegel: Bestimmung von Folat, Vitamin B6 und B12 zur Einschätzung des metabolischen Status.
6. Therapie
Die Behandlung zielt darauf ab, den Homocysteinspiegel zu senken und den Ein-Kohlenstoff-Stoffwechsel zu optimieren:
- Supplementation:
- 5-Methyltetrahydrofolat (aktives Folat) statt synthetischer Folsäure.
- Vitamin B6 (Pyridoxin) und Vitamin B12 (Methylcobalamin) zur Unterstützung der Homocystein-Metabolisierung.
- Diätetische Maßnahmen:
- Folatreiche Ernährung (z. B. grünes Blattgemüse, Hülsenfrüchte) unter Vermeidung von synthetischer Folsäure.
- Risikomanagement:
- Prophylaxe und Behandlung kardiovaskulärer und thrombotischer Ereignisse durch Lebensstilmodifikation und gegebenenfalls Antikoagulation.
7. Prognose
Bei frühzeitiger Diagnosestellung und konsequenter Therapie kann die Hyperhomocysteinämie kontrolliert und das Risiko assoziierter Komplikationen reduziert werden. Unbehandelt besteht ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und neurologische Schäden sowie schwangerschaftsbedingte Komplikationen.
8. Weiterführende Literatur
- Finkelstein JD. "The metabolism of homocysteine: pathways and regulation." Eur J Pediatr. 1998 Apr;157 Suppl 2:S40-4. doi: 10.1007/pl00014300. PMID: 9587024.
- Sibani S et al. "Characterization of six novel mutations in the methylenetetrahydrofolate reductase (MTHFR) gene in patients with homocystinuria" Genet Med. 2000;15(3):280-7. doi: 10.1002/(SICI)1098-1004(200003)15:3<280::AID-HUMU9>3.0.CO;2-I. PMID: 10679944.
- Orpha.net – Homocystinurie durch Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase-Mangel, abgerufen am 27.01.2025.
- GeneCards – MTHFR-Gene, abgerufen am 27.01.2025.