Vektorkontrolle
Englisch: vector control
Definition
Unter Vektorkontrolle versteht man Maßnahmen zur Bekämpfung (z.B. Reduktion, Eliminierung, persönlicher Schutz) bestimmter Überträger (Vektoren) von Infektionskrankheiten.
Hintergrund
Vektoren sind Arthropoden wie z.B. Stechmücken, Sandmücken, Tsetse-Fliegen, Raubwanzen oder Zecken. Sie übertragen Erreger (z.B. Bakterien, Einzeller, Viren) von Reservoirwirten – die nach dem Verständnis der WHO stets Wirbeltiere sind – auf den Menschen oder auf andere Wirbeltiere. Wird der Erreger auf den Menschen übertragen, spricht man von einer Zoonose.
Gemäß dem Verständnis der WHO wird zwischen Vektoren und Reservoirwirten streng unterschieden. Vektoren sind also insbesondere keine Reservoirwirte. Die Kontrolle der Reservoirwirte ist Thema der Reservoirkontrolle.
Maßnahmen
Unter den durch Vektoren übertragenen Krankheiten gehören viele zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten (englisch: neglected tropical diseases, kurz NTDs), z.B. Malaria, Leishmaniose, Dengue oder Filariose, die überdurchschnittlich oft in ärmeren Ländern bzw. bei ärmeren Bevölkerungsgruppen auftreten.
In vielen dieser ärmeren Länder stellen zusätzlich durch Vektoren übertragene Tierseuchen ein zusätzliches Problem dar. Beispielsweise ist aufgrund von Nagana-Erkrankungen die Viehzucht auf ungefähr der Hälfte des kultivierbaren Landes in Afrika südlich der Sahara (Tsetse-Gürtel mit der Tsetse-Fliege als Trypanosomen-Vektor) nur sehr eingeschränkt möglich.
Persönlicher Schutz
Insektenschutzgitter für Fenster und Türen (auch von Ställen), strikte Sauberkeit im Essbereich, Aufbewahrung von Lebensmitteln in verschlossenen Behältern, Verwendung von Repellenten und angepasster Kleidung (Arme und Beine bedeckt), Mückennetze für Ruhezeiten (sehr feinmaschige für den Schutz gegen Sandmücken) können die Angriffe von Vektoren (vor allem Fliegen und Mücken) reduzieren helfen. Wo Raubwanzen als Vektor für die Chagas-Krankheit aktiv sind, sollte vermieden werden, auf dem Boden zu schlafen.
Fachgerechte Stallhygiene sowie insektizidhaltige Ohrmarken oder Aufgussverfahren (Deltamethrin, Cyfluthrin etc.) für Weidetiere oder antiparasitäre Halsbänder verschiedener Wirkungsklassen für Hunde können analog dem persönlichen Schutz von Haus- oder Nutztieren dienen.
Habitat-Kontrolle
In Krankenhäusern und öffentlichen Gebäuden tropischer Länder findet man oft aufklärende Plakate, die solche gegen die Brutstätten von Mücken gerichtete Maßnahmen erläutern, die von privaten Haushalten durchgeführt werden können. Stehende Wasseransammlungen in alten Reifen, in Dosen, in leeren Flaschen oder anderen Behältern oder auch Restwasser in Dachrinnen sollen so weit wie möglich eliminiert werden. Z.B. sollten Behälter stets mit der offenen Seite nach unten aufbewahrt werden. Größerer Aufwand ist erforderlich, wenn neben Pfützen und kleineren Wasserreservoiren sumpfige Böden trockengelegt oder dichtes Buschwerk in Siedlungsnähe soweit wie möglich abgeholzt oder abgebrannt werden soll. Im Vorfeld erwarteter saisonaler Endemien ziehen eventuell von Behörden beauftragte Mitarbeiter oder Unternehmen durch Endemiegebiete, um die Brutstätten von Mücken in ihren Habitaten systematisch zu reduzieren.
Andere Vektoren erfordern andere Maßnahmen. Sind Fliegen die Vektoren, können Hygiene-Maßnahmen in Latrinen und Ställen, geeignete Entmistungssysteme und die häufige Entfernung von Kothaufen und Flüssigkeitsansammlungen auf Weiden von Nutztieren, im Allgemeinen zusammen mit chemischer und biologischer Bekämpfung, den Vektor zurückdrängen. Pheromon-gesteuerte Fliegenfallen stellen ein weiteres Instrument zur Reduzierung von Fliegenpopulationen dar. Allerdings sind gegen Fliegen gerichtete Maßnahmen mehr in entwickelten Ländern als in tropischen Entwicklungsländern üblich.
Chemische Kontrolle
Seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde von der WHO die Innenraumbesprühung mit Residualeffekt als erste Methode zur Bekämpfung von endophilen Vektoren mit der Bekämpfung von Malaria als erstem Programmziel propagiert. Diesem Programm war kurz- und teilweise auch mittelfristig Erfolg beschieden. Auf längere Sicht allerdings entwickelten viele der Vektoren Resistenz gegen die damals verwendete DDT-Suspension als erstem applizierten Wirkstoff. Durch die Malaria-Bekämpfung wurden in den befallenen Gebieten auch andere Tropenkrankheiten wie die Leishmaniose zurückgedrängt, wobei allerdings auch die dort vorhandenen Sandmücken Resistenz gegenüber DDT entwickelten. Zusätzlich änderten die Sandmücken ihr Habitatverhalten und mutierten zu exophilen Vektoren.
Bei der lang andauernden Applikation von Insektiziden in einer Vielzahl von Gebäuden ist die eventuell längerfristige Schadwirkung der Insektizide auf die Gesundheit von Menschen und Haustieren, die Umwelt sowie die mit dem Nutzvieh verbundene Nahrungskette zu beachten. Dass gegen Malaria-Vektoren gerichtete Insektizide auch Leishmaniose-Vektoren vernichtet haben, ist eine positive Formulierung für einen im Prinzip negativ zu bewertenden Kollateralschaden. Offenbar ist das verwendete Insektizid nicht spezifisch gegen den in Auge gefassten Vektor gerichtet. Der Schaden für andere Insekten und der Umweltschaden unbekannten Ausmaßes sind einem gesundheitlichen regionalen Vorteil gegenüberzustellen.
Diese Aussage gilt umso mehr, wenn Insektizide von Flugzeugen und neuerdings auch von Drohnen aus großflächig versprüht werden. Insbesondere in den USA wird unter Vektorkontrolle in erster Linie Mückenkontrolle verstanden, wobei die Vektoreigenschaft nur ein Aspekt der Vernichtung von Mückenpopulationen ist. Mücken gelten als unangenehme Plagegeister, die das Freizeitverhalten der Bevölkerung negativ beeinflussen und den Wert von Immobilien verringern. Nicht wenige Städte der USA haben auf Vektorkontrolle spezialisierte Firmen beauftragt, die Mückenpopulation dauernd zu überwachen und bei Bedarf Kontroll-Maßnahmen einzuleiten.
Biologische Kontrolle
Biologische Kontrollmaßnahmen wurden auch deshalb entwickelt, um die erheblichen Kollateralschäden chemischer Maßnahmen zu vermeiden.
Besonders kleinräumlich verzeichnen biologische Kontrollmethoden auch Erfolge. Der Einsatz von Schlupfwespen und Güllefliegen zur Bekämpfung von Fliegenlarven in Viehställen ist in Mitteleuropa ein weitverbreitetes Kontrollinstrument. Weltweit gibt es ähnliche Konzepte mit räumlich begrenztem Einsatzspektrum.
Mit dem artspezifischen Verfahren der Sterilen-Insekten-Technik konnten auch großräumigere Erfolge gegen Tsetse-Fliegen und Anopheles-Mücken verzeichnet werden. Die Anwendung auf andere tropische Vektoren ist in Vorbereitung. Der Erfolg der Idee, den Tsetse-Gürtel durch den großflächigen Abwurf sterilisierter oder steril gezüchteter Männchen der Tsetse-Fliege von Flugzeugen wieder kultivierbar zu machen, dürfte aber wohl wegen der schieren Größe des anvisierten Gebietes aussichtslos sein.
Als kritisch gilt bei diesem Verfahren noch die Frage, ob ein Gentransfer genetisch veränderter Insekten auf Tiere erfolgen kann, die sich von diesen Insekten ernähren. Die Möglichkeit der Anwendung der Technik hängt zusätzlich noch von landesspezifischen gesetzlichen Regelungen für eine Freisetzung genetisch veränderter Organismen ab.
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