Trigeminovaskuläres System
Englisch: trigeminovascular system
Definition
Das trigeminovaskuläre System ist die funktionelle Einheit aus Nervenfasern des Nervus trigeminus und der von ihnen innervierten meningealen Blutgefäße. Es spielt eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie der Migräne.
Anatomie
Die Meningen werden supratentoriell überwiegend von afferenten Fasern des Nervus trigeminus (Nervus ophthalmicus, Nervus maxillaris) innerviert, infratentoriell von Fasern der zervikalen Spinalnerven C1 und C2. Die nozizeptiven Fasern sind pseudounipolare Neurone, deren Zellkörper im Ganglion trigeminale liegen. Von dort verlaufen ihre Axone einerseits peripher zu Meningen und Blutgefäßen, andererseits zentral in die Trigeminuskerne.
Pathophysiologie
Das Gehirn selbst ist nicht schmerzempfindlich. Die Meningen sind jedoch dicht innerviert von afferenten Fasern des Nervus trigeminus. Die Aktivierung dieser nozizeptiven trigeminalen Afferenzen wird als Ursache für Migränekopfschmerzen angenommen. Durch die Ausschüttung von Neuropeptiden und vasoaktiven Substanzen kommt es zu einer perivaskulären neurogenen Entzündungsreaktion der meningealen Blutgefäße, die mit einer Vasodilatation und erhöhter Gefäßpermeabilität einhergeht. Diese Ausschüttung erfolgt aus den Axonendigungen von Aδ- und C‑Fasern, deren Zellkörper im Ganglion trigeminale liegen. Zu den ausgeschütteten Substanzen zählen Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), Stickstoffmonoxid (NO), Substanz P (SP) und vasoaktives intestinales Peptid (VIP).
In der frühen Migränephase führt eine Aktivierung des Hypothalamus zu einer Sensibilisierung des trigeminovaskulären Systems. CGRP spielt hierbei eine Schlüsselrolle: Es ist während und zwischen Attacken im Serum erhöht. Die unilaterale Sensibilisierung peripherer Neurone erklärt den halbseitig-pulsierenden Kopfschmerz. Über Konvergenzen mit extrakraniellen Afferenzen kann es zu übertragener Schmerzempfindung im Nacken- oder Hinterkopfbereich kommen.
Das bessere Verständnis dieser Mechanismen hat zur Entwicklung neuer Migräneprophylaktika geführt, z.B. monoklonaler Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor (Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab). Diese greifen spezifisch in die Migränekaskade ein und reduzieren die Attackenfrequenz deutlich.
Literatur
- Ganser, B., Leis, S. Ätiologie und Pathogenese der Migräne. psychopraxis. neuropraxis, 2020
- May, A.: Das trigeminovaskuläre System des Menschen. Zerebraler Blutfluss, funktionelle Bildgebung und primäre Kopfschmerzen. Nervenarzt, 2003, Springer.