Trauma-induzierte Koagulopathie
Definition
Die Trauma-induzierte Koagulopathie, kurz TIC, ist eine Störung der Blutgerinnung im Rahmen eines Polytraumas.
Ätiopathogenese
Die Trauma-induzierte Koagulopathie entsteht durch eine massive Endothelverletzung mit Freisetzung des Tissue-Faktors in Kombination mit einer systemischen Hypoperfusion. Am Endothel wird dabei Thrombomodulin exprimiert, das mit freiem Thrombin einen stabilen, antikoagulatorischen Komplex bildet. Zusätzlich führt dies zur Aktivierung von Protein C. Die Folge ist eine Hemmung der Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa und somit eine Abnahme der Thrombinbildung.
Im Rahmen des Gewebetraumas sowie des Schocks kommt es zu einer verstärkten Freisetzung von Plasminogenaktivator, sodass vermehrt Plasmin gebildet und die Fibrinolyse aktiviert wird. Bei reduzierter Leberperfusion im Rahmen des Schocks kommt es bei ca. 20 bis 30 % der Polytrauma-Patienten zu einer Hyperfibrinolyse mit verstärkter Blutungsneigung.
Verstärkende Faktoren sind:
- Verlust und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren durch schwere Blutungen
- Dilution durch kristalloide und kolloidale Volumenersatzmittel sowie Erythrozytenkonzentrate (EK)
- Kolloide interagieren außerdem mit der Fibrinpolymerisation, was zu einer verminderten Thrombusstabilität führt.
- Hypothermie und Azidose wirken sich ebenfalls negativ auf die Gerinnung aus.
Klinik
Klinisch fällt bei TIC-Patienten eine diffuse mikrovaskuläre Blutung an Wundoberflächen und Schleimhäuten sowie an Kathetereinstichstellen auf.
Diagnostik
Die Diagnose einer Trauma-induzierten Koagulopathie basiert auf klinischen und laborchemischen Parametern. Zur Routinediagnostik gehören Prothrombinzeit bzw. Quick, aPTT sowie die Thrombozytenzahl. Entscheidend ist die Point-of-care-Diagnostik mittels Rotationsthrombelastometrie (ROTEM®). Dabei wird nicht nur die Zeit bis zum Einsetzen der Gerinnung sondern auch die Geschwindigkeit der Clotbildung sowie die maximale Festigkeit und Stabilität des Gerinnsels erfasst. Des Weiteren kann eine gesteigerte Fibrinolyse erkannt werden. Als Untersuchungsmaterial wird Citratblut verwendet.
Therapie
Die Therapie einer TIC basiert auf verschiedenen Maßnahmen:
- Damage Control Surgery: Chirurgische oder interventionelle Blutstillung
- Damage Control Resuscitation (DCR):
- restriktiver Volumenersatz
- permissive Hypotonie: Bei aktiver Blutung bis zur chirurgischen Blutstillung sollte ein mittlerer arterieller Druck (MAP) von ca. 65 mmHg und ein systolischer arterieller Blutdruck von ca. 80 mmHg angestrebt werden. Bei Patienten (ohne kardiopulmonale Vorerkrankungen) im hämorrhagischen Schock erfolgt prä- und intraoperativ sowie bis 3 - 6 Stunden postoperativ eine Flüssigkeitstherapie mit einem Ziel-MAP von 65 mmHg. Bei der Kombination von hämorrhagischem Schock und Schädel-Hirn-Trauma (GCS < 9) und/oder spinalem Trauma mit neurologischer Symptomatik beträgt der Ziel-MAP 85 mmHg.
- (Wieder)-Erwärmen
- Ausgleich von Azidose und Hypokalzämie
- Transfusion von Blutprodukten
- Substitution gerinnungsaktiver Produkte
um diese Funktion zu nutzen.