Stas-Otto-Trennungsgang
nach Jean Servais Stas (1813-1891), belgischer Chemiker, und Friedrich Julius Otto (1809-1870), deutscher Chemiker und Pharmazeut
Definition
Der Stas-Otto-Trennungsgang ist ein qualitatives Verfahren zur nasschemischen Auftrennung von Stoffgemischen und Arzneistoffen.
Hintergrund
Bei der Durchführung des Stas-Otto-Trennungsganges wird das Stoffgemisch in Wasser gelöst, unterschiedlichen pH-Werten ausgesetzt und jeweils mit einem organischen Lösungsmittel ausgeschüttelt. Einige Substanzen bleiben hierbei in der Wasserphase, während andere in die Lösungsmittelphase übergehen. Als organische Lösungsmittel werden Ether und Isobutylmethylketon (IBMK) verwendet.
Die Trennung des Stoffgemisches basiert auf zwei Stoffeigenschaften:
- Azidität/Basizität: Je nach vorliegendem pH-Wert liegen Säuren und Basen entweder protoniert oder unprotoniert vor. In saurem Medium liegen Säuren protoniert und ungeladen vor, während sie im Basischen deprotoniert und somit geladen sind. Bei Basen verhält es sich entgegengesetzt. Geladene Substanzen sind wasserlöslich und bleiben in der Wasserphase, während die ungeladene Form in die organische Phase extrahiert werden kann. Das Extraktionsverhalten ist also von der Säurestärke abhängig. Die Stoffeigenschaft, welche die Azidität beziehungsweise Basizität beschreibt, ist der pKa beziehungsweise pKb-Wert.
- Polarität: Wie gut ein Stoff löslich ist, hängt von seiner Polarität ab: polare Substanzen sind in hydrophilen Lösemitteln wie Wasser gut löslich, unpolare Substanzen hingegen in lipophilen Lösemitteln wie Ether. Die Stoffeigenschaft, welche die Polarität beschreibt, ist der Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient KOW.
Durchführung
Beim Stas-Otto-Trennungsgang werden mehrere Teilschritte durchgeführt, bei denen jeweils eine Fraktion extrahiert wird. Zu Beginn wird das Stoffgemisch in Wasser gelöst und mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert von 1 angesäuert. Diese Lösung wird mit Ether ausgeschüttelt. Die Etherphase wird für die Fraktionen Ia und Ib verwendet, die Wasserphase für die Fraktionen II bis V.
Fraktion | Arbeitsschritt bzw. Milieu | extrahierte Substanzen |
---|---|---|
Ia | Etherauszug mit NaOH alkalisieren, extrahieren und wässrige Phase ansäuern | Säuren, Phenole, Ureide |
Ib | Etherauszug mit NaOH alkalisieren | Neutralstoffe |
II | Weinsäurepuffer (pH 4-5), ausschütteln mit IBMK | schwache Basen, starke und sehr lipophile Basen, IBMK-lösliche Säuren |
III | mit NaOH alkalisieren (pH > 10), mit Ether ausschütteln | starke Basen (Kationsäuren) |
IV | mit Ammoniak alkalisieren (pH 9), mit IBMK ausschütteln | amphotere Phenolbasen, IBMK-lösliche Basen |
V | wässrige Phase, die nach IV übrigbleibt | Säuren, Kohlenhydrate, Aminosäuren, quartäre Ammoniumverbindungen |
Im Anschluss an die Auftrennung wird eine dünnschichtchromatographische Analyse durchgeführt. Mit Vergleichssubstanzen und Sprühreagenzien kann auf diese Weise ein unbekannter Stoff identifiziert werden. Häufig werden zum Vergleich auch Tabellen verwendet, in denen dargestellt ist, in welcher Fraktion einzelne Arzneistoffe vorliegen können.
Beispiele
- Trennung von Chloroquin (Fraktion III) und Ibuprofen (Fraktion Ia): Chloroquin ist eine Base, Ibuprofen eine Säure. Wenn die Lösung zu Beginn angesäuert wird, liegt Chloroquin in der protonierten, geladenen Form vor und Ibuprofen in der protonierten, ungeladenen. Beim Ausschütteln mit Ether geht das ungeladene Ibuprofen in die Etherphase über, während das geladene Chloroquin nicht extrahiert wird. Die Etherphase wird mit Natronlauge alkalisiert und mit Wasser ausgeschüttelt; Ibuprofen wird deprotoniert und geht in seiner geladenen Form in die Wasserphase (Fraktion Ia) über. Die Wasserphase, welche noch das Chloroquin enthält, wird mit Natronlauge auf einen pH von > 10 alkalisiert, sodass Chloroquin in seiner deprotonierten, ungeladenen Form vorliegt. Aus diesem Milieu kann Chloroquin mit Ether extrahiert werden (Fraktion III).
- Trennung von Chloramphenicol (Fraktion Ib) und Morphin (Fraktion IV): Chloramphenicol ist ein Neutralstoff, während Morphin eine Phenolbase ist. In der angesäuerten Ausgangslösung liegt Chloramphenicol neutral vor, sodass es mit Ether ausgeschüttelt werden kann. Nach Alkalisieren ist es immer noch neutral, sodass es in der Etherphase verweilt. Die wässrige Phase, die das Morphin enthält, wird im ammoniakalischen Milieu auf einen pH-Wert von 9 eingestellt. Dabei liegt Morphin neutral vor und kann mit Ether ausgeschüttelt werden. Bei einem niedrigeren pH-Wert würde das Stickstoffatom protonieren, bei einem höheren Wert das Phenol deprotonieren.
Anwendung
Der Stas-Otto-Trennungsgang wird vor allem im Labormaßstab eingesetzt, um Stoffgemische schnell zu trennen. Die Anwendung beschränkt sich überwiegend auf Stoffgemische, deren Zusammensetzung bekannt ist und die leicht zu trennen sind. In diesem Fall wird der Trennungsgang zweckmäßig verkürzt; nicht benötigte Schritte werden nicht durchgeführt.
Für unbekannte Stoffgemische werden heutzutage eher instrumentelle Methoden wie Gaschromatographie, Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) oder Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie (HPLC-MS) verwendet, da diese auch eine Trennung von chemisch sehr eng verwandten Substanzen ermöglichen.
Literatur
- Auterhoff, Kovar: Identifizierung von Arzneistoffen, Stuttgart 1998
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