Proportional Assist Ventilation
Definition
Die Proportional Assist Ventilation, kurz PAV, ist eine fortschrittliche Methode der mechanischen Beatmung, die eine dynamische Anpassung der Atemunterstützung an die Eigenleistung des Patienten ermöglicht. Ziel ist es, die Atemarbeit proportional zur Atemanstrengung zu entlasten und eine physiologisch synchronisierte Beatmung zu gewährleisten.
Funktionsprinzip
Die PAV unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Beatmungsmodi, da sie auf einem proportionalen Feedbacksystem basiert. Die Beatmungsmaschine misst kontinuierlich die Atemanstrengung des Patienten (Inspirationsdruck und Fluss) und liefert eine angepasste Unterstützung. Zwei wesentliche Komponenten dabei sind:
- Elastischer Druckanteil: Kompensation der Kraft, die erforderlich ist, um die Elastizität von Lunge und Thoraxwand zu überwinden (siehe auch: Elastance und Compliance)
- Resistiver Druckanteil: Unterstützung zur Überwindung des Atemwegswiderstandes (Strömungswiderstand)
Die Höhe der Unterstützung wird durch individuell festgelegte Verstärkungsfaktoren (Gain-Faktoren) für beide Komponenten bestimmt. Dies gewährleistet eine kontinuierliche Anpassung an die physiologischen Bedürfnisse des Patienten.
Indikationen
Die Anwendung der PAV bietet sich insbesondere in folgenden klinischen Szenarien an:
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD): Reduktion der übermäßigen Atemarbeit durch Unterstützung des resistiven Anteils.
- Weaning: Förderung der Spontanatmung durch eine graduelle Anpassung der Beatmungsunterstützung.
- Restriktive Lungenerkrankungen (z.B. Lungenfibrose): Unterstützung der elastischen Atemarbeit bei reduziertem Lungenvolumen.
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Verbesserung der Ventilation bei eingeschränkter Atemmuskelfunktion.
Kontraindikationen
- Fehlender Atemantrieb: Patienten mit vollständigem Atemstillstand (z.B. zentrale Atemdepression, Hirnstammläsion).
- instabile oder ungeeignete Atemmuster: z.B. Cheyne-Stokes-Atmung
- Hoher Leckageanteil: bei nicht-invasiver Beatmung (NIV) oder schlecht sitzenden Trachealkanülen, da die Messung der Atemarbeit ungenau wird.
- Schwere hämodynamische Instabilität: z.B. bei kardiogenem Schock oder instabilen Kreislaufverhältnissen, da Schwankungen des intrathorakalen Drucks problematisch sein können.
Vorteile
Die PAV bietet mehrere potenzielle Vorteile gegenüber konventionellen Beatmungsmodi:
- verbesserte Patient-Ventilator-Synchronität (Double Triggering, Ineffizienz beim Triggern oder verfrühte Zyklusabschlüsse treten seltener auf)
- Erhalt des Atemantriebs verhindert die Atemmuskelatrophie
- individualisierte Atemunterstützung (elastische vs. resistive Komponente)
- verringertes Risiko für beatmungsassoziierte Komplikationen (z.B. Barotrauma)
- effektiver im Weaning-Prozess
- verbesserter Patientenkomfort durch natürlichen Atemablauf und reduzierte Dyspnoe
- reduzierter Sedierungsbedarf
Nachteile
Nachteilig sind die hohen technischen Anforderungen und die erforderliche Expertise im Umgang mit dem Verfahren. Die Einstellungen müssen individuell an den Patienten angepasst und überwacht werden.
Literatur
- Kacmarek, Proportional assist ventilation and neurally adjusted ventilatory assist, Respir Care, 2011
- Carteaux et al., Bedside adjustment of proportional assist ventilation to target a predefined range of respiratory effort, Crit Care Med, 2013
- Carteaux et al., Comparison Between Neurally Adjusted Ventilatory Assist and Pressure Support Ventilation Levels in Terms of Respiratory Effort, Crit Care Med, 2016
- Amargiannitakis et al., Validation of a Proposed Algorithm for Assistance Titration During Proportional Assist Ventilation With Load-Adjustable Gain Factors, Respir Care, 2020