Ovarielle Reserve
Definition
Die ovarielle Reserve bezeichnet die zu einem bestimmten Zeitpunkt verbliebene, reproduktive Kapazität der Eierstöcke. Diese definiert sich aus der Anzahl der verbliebenen Primordialfollikel, aus denen sich reife Eizellen entwickeln können.
Hintergrund
Die ovarielle Reserve unterliegt individuellen Schwankungen. Neben dem physiologischen Alterungsprozess steuern auch genetische und Umweltfaktoren die ovarielle Reserve. Eine Abnahme der ovariellen Reserve kann auch Erkrankungen, chirurgischen Eingriffen am Ovar oder einer Chemo- bzw. Strahlentherapie geschuldet sein.
Bei der Frau ist die Proliferationsphase der Oogonien auf einen kurzen Zeitraum während der pränatalen Periode beschränkt. Danach beginnt die Differenzierung der Oogonien. Bis zur Geburt erreichen dabei die verbleibenden Oogonien das Diktyotän. Um diese primären Oozyten bildet sich eine Epithelschicht aus und es entsteht der Primordialfollikel. Bei der Geburt sind ca. 1,5 Millionen dieser Primordialfollikel vorhanden, mit Beginn der Pubertät im Schnitt noch etwa knapp 400.000 und im Durchschnitt noch etwa 180.000 im Alter von etwa 30 Jahren und ca. 45.000 zu Beginn des 40. Lebensjahres. Die reduzierte ovarielle Reserve ist ab hier ein physiologischer Prozess und abzugrenzen von der prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI).
Beim Mann ist die Spermienproduktion prinzipiell bis zu seinem Tode gewährleistet. Dies bedingt sich durch die fortwährende Mitose der Spermatogonien. Jedoch nimmt auch hier die Menge und die genetische Qualität der Spermien mit zunehmendem Lebensalter ab.
Marker
Die am meisten genutzte Methoden zur Bestimmung der ovariellen Reserve sind die Bestimmung des AMH-Spiegels und die antrale Follikelzählung ("antrale follicle count", AFC). Die Bestimmung des FSH-Spiegels gilt aufgrund physiologischer Schwankungen während des Menstruationszyklus als weniger verlässlich.
Bei der AFC wird die Anzahl der antralen Follikel mithilfe des transvaginalen Ultraschalls (TVUS) ermittelt. Der Vorteil der AFC-Bestimmung gegenüber der hormonellen Bestimmung ist, dass die AFC-Bestimmung kostengünstig ist und auch Aufschluss über die Situation des einzelnen Ovars zulässt.
Ein AMH-Spiegel von 1-2 ng/ml respektive ein AFC < 4-5 gelten als geringe ovarielle Reserve ("diminished ovarian reserve", DOR). Ein einheitlicher Konsens darüber existiert jedoch nicht. Die Bestimmung der ovariellen Reserve erlaubt eine Abschätzung darüber, ob eine hormonelle Stimulation im Rahmen einer IVF-Therapie noch sinnvoll ist. Über die ovarielle Reserve lässt sich das Stimulationsprotokoll für eine IVF/ICSI-Therapie festlegen, die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Stimulation, wie auch die Gefahr eines OHSS ableiten. Als Einschränkung gilt die geringe Vorhersagekraft für eine Lebendgeburt. Auch bei einer niedrigen ovariellen Reserve ist eine Schwangerschaft nicht ausgeschlossen. Andersrum sind Marker der ovariellen Reserve nicht prädiktiv für die Eizellqualität. Auch bei geringer Ovarialreserve und einem guten Ansprechen auf eine hormonelle Stimulationsbehandlung können Eizellen von hoher Qualität erhalten werden.
Literatur
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