Orales Allergiesyndrom
Englisch: oral allergy syndrome
Definition
Das orale Allergiesyndrom, kurz OAS, ist eine IgE-vermittelte allergische Reaktion. Es stellt die häufigste Manifestation einer Pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergie dar.
Ätiologie
Das orale Allergiesyndrom ist eine IgE-vermittelte allergische Reaktion, die nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel auftritt. Es wird typischerweise durch pflanzliche Proteine ausgelöst, die mit bestimmten inhalativen Antigenen Kreuzreaktionen aufweisen: Bei Allergie gegen Birkenpollen leiden ca. 70 %, gegen Beifuß ca. 20 % der Patienten an ein OAS.
Folgende Kreuzreaktionen sind häufig vorzufinden:
Nahrungsmittelallergen | Birke | Gräser | Beifuß |
---|---|---|---|
Nüsse (z.B. Haselnuss, Walnuss, Mandel) | +++ | - | + |
Kernobst (z.B. Apfel, Birne) | +++ | + | - |
Steinobst (z.B. Pflaume, Pfirsich, Kirsche, Aprikose) | +++ | + | - |
Karotte | ++ | - | ++ |
Tomate | ++ | + | + |
Soja | +++ | + | - |
Erdnuss | + | + | - |
Sellerie | ++ | + | +++ |
Gewürze (z.B. Anis, Dill, Petersilie, Pfeffer, Paprika, Kümmel) | + | - | +++ |
Klinik
Beim oralen Allergiesyndrom handelt es sich weniger um eine eigenständige Krankheitsentität als um einen variablen Symptomkomplex. Typischerweise kommt es direkt nach Verzehr des Nahrungsmittels bzw. spätestens innerhalb von 5 Minuten zu Pruritus an Lippen, Zunge, Gaumen, Gehörgängen und Rachen. Außerdem werden häufig Parästhesien, Erytheme und seltener Ödeme mit sichtbaren Schwellungen an Lippen, Zungen- und Mundschleimhaut (Kontakturtikaria) beschrieben. Meist erfolgt eine spontane Besserung nach 10-15 Minuten.
Durch Diffusion von Histamin und/oder neurogene Reflexe mit weiterer Mastzellaktivierung kann es zu "fortgeleiteten" Symptomen kommen:
- Angioödeme mit Lid-, Lippen-, Ohrschwellungen
- Pharynx- bzw. Larynxödeme selten mit Schluck- oder Atembeschwerden
Auch gastrointestinale Symptome sind möglich (z.B. Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, eosinophile Ösophagitis).
Bei bestimmten Allergenen, nach Verzehr größerer Mengen, bei starker körperlicher Anstrengung oder gleichzeitigem Alkoholgenuss können auch anaphylaktische Reaktionen auftreten. Die Symptomintensität hängt von der Allergenmenge ab. Außerdem sind die Allergene z.T. in der Schale konzentriert (z.B. bei Äpfeln).
Diagnostik
- Anamnese: insbesondere Ernährungsanamnese, bekannte Allergien
- Prick-Test
- Oraler Provokationstest: in unklaren Fällen
- Fluoreszenz-Enzym-Immunoassay (FEIA)
Therapie
Da Birkenpollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien i.d.R. nur lokale Symptome verursachen, betreffen Karenzempfehlungen den Verzehr in rohem Zustand und den Verzehr großer Mengen. Die zahlreichen Einflussfaktoren auf die Symptomatik müssen mit dem Patienten individuell besprochen werden. Bei anderen Nahrungsmitteln, die häufiger anaphylaktische Symptome verursachen, die über ein reines OAS hinausgehen, gelten strengere Karenzempfehlungen.
Symptomatisch können die Lokalsymptome mit oralen Antihistaminika behandelt werden. Bei einem anaphylaktischen Schock sind weitergehende Maßnahmen (z.B. Gabe von Adrenalin) notwendig. Grundsätzlich sollten Patienten mit bekanntem OAS einen Adrenalin-Autoinjektor als Notfallmedikation mitführen.
Langfristig kann die spezifische Immuntherapie (SIT) mit Pollenallergenextrakten auch zur Reduktion der OAS-Symptomatik führen. Eine SIT ist jedoch nur bei symptomatischer Rhinokonjunktivitis oder Asthma bronchiale indiziert.
Literatur
- Worm M et al. Food allergies resulting from immunological cross-reactivity with inhalant allergens: Guidelines from the German Society for Allergology and Clinical Immunology (DGAKI), the German Dermatology Society (DDG), the Association of German Allergologists (AeDA) and the Society for Pediatric Allergology and Environmental Medicine (GPA), Allergo J Int. 2014;23(1):1-16, abgerufen am 16.03.2020
- Muluk NB, Cingi C. Oral allergy syndrome, Am J Rhinol Allergy. 2018 Jan 1;32(1):27-30, abgerufen am 16.03.2020
- Kashyap RR, Kashyap RS. Oral Allergy Syndrome: An Update for Stomatologists, J Allergy (Cairo). 2015;2015:543928, abgerufen am 16.03.2020
- Fogg MI, Spergel JM Management of food allergies, Expert Opin Pharmacother. 2003 Jul;4(7):1025-37, abgerufen am 16.03.2020
- Trautmann A, Kleine-Tebbe J. Nahrungsmittelallergien/-unverträglichkeiten. In: Trautmann A, Kleine-Tebbe J, Hrsg. Allergologie in Klinik und Praxis. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017. doi:10.1055/b-004-140676
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