Alloimmun-Thrombozytopenie
Synonym: Alloimmunthrombozytopenie, Neonatale Alloimmun-Thrombozytopenie (NAIT, NAITP), fetale Alloimmun-Thrombozytopenie (FAIT, FAITP), FNAIT
Englisch: (neonatal) alloimmune thrombocytopenia
Definition
Die Alloimmun-Thrombozytopenie ist eine seltene Form der Thrombozytopenie, die Feten bzw. Neugeborene betrifft. Sie entsteht durch eine transplazentare Übertragung von maternalen Alloantikörpern und führt zu einer erhöhten Blutungsneigung des Kindes.
Nomenklatur
Wird die Erkrankung beim Neugeborenen entdeckt, spricht man von einer neonatalen Alloimmun-Thrombozytopenie, beim Fetus von einer fetalen Alloimmun-Thrombozytopenie.
Epidemiologie
Das Auftreten einer Alloimmun-Thrombozytopenie wird auf rund 1 pro 1.000 Lebendgeburten geschätzt. Mehr als die Hälfte der Fälle tritt in der ersten Schwangerschaft auf.
Pathophysiologie
Die Ursache einer Alloimmun-Thrombozytopenie ist eine Immunreaktion mütterlicher Alloantikörper gegen die Thrombozytenmerkmale bzw. die HPA des Kindes. Am häufigsten kommen Antikörper gegen die Merkmale HPA-1a und HPA-5b vor. Eine fetomaternale Transfusion von Blut führt dazu, dass die (väterlichen) thrombozytären Antigene des Fetus als fremd erkannt werden. Als Konsequenz werden die oben erwähnten Alloantikörper (Typ IgG) vom mütterlichen Immunsystem gebildet. Diese können über die Plazenta in den fetalen Kreislauf gelangen und so die Thrombozyten mit dem entsprechenden Merkmal angreifen bzw. zerstören. Die induzierte Thrombozytopenie führt zu einer stark erhöhten Blutungsneigung des Kindes.
Symptome
Die kindliche Thrombozytopenie kann zu petechialen Hautblutungen und einer Purpura führen. Zudem ist bei ausbleibender Behandlung das Risiko für Hirnblutungen erhöht, diese können z.T. bereits intrauterin auftreten. Mögliche Konsequenzen dieser Komplikation sind dann mentale sowie körperliche Behinderungen oder ein letaler Ausgang.
Diagnose
Um eine neonatale Alloimmun-Thrombozytopenie diagnostizieren zu können, müssen alle anderen möglichen Ursachen einer Thrombozytopenie ausgeschlossen werden. Da keine routinemäßigen Blutbildkontrollen bei Neugeborenen erfolgen, bleibt das Krankheitsbild oftmals unerkannt - insbesondere, wenn keine Blutungszeichen sichtbar sind.
Pränatal
- Serologie des mütterlichen Blutes: Nachweis von Antikörpern gegen HPA-Merkmale
- Kreuzprobe von mütterlichem Serum mit väterlichen Thrombozyten
- Molekulargenetische Testung von HPA-Merkmalen der Mutter und des Feten (Gewinnung von fetalem Blut mittels Nabelschnurpunktion) bzw. des Neugeborenen
Postnatal
- Blutbild des Neugeborenen: Thrombozytopenie
Therapie
Die Therapie kann bereits während der Schwangerschaft oder direkt nach der Entbindung erfolgen, je nach Zeitpunkt der Diagnose. Sie ist abhängig von der Ausprägung der Thrombozytopenie und der Blutungsproblematik. Die anzustrebende Thrombozytenzahl liegt bei 50.000/µl.
Pränatal
Eine mögliche Therapieoption ist die wöchentliche Gabe von intravenösen Immunglobulinen (1 g/kg KG ivIg) und Prednisolon mit Beginn ab der 20. bis 30. SSW. Zudem ist die intrauterine Transfusion von Thrombozytenkonzentraten ein möglicher (aber risikobehafteter) Therapieansatz. Da sich die Lebensdauer von Thrombozyten im Bereich von 5 bis 10 Tagen bewegt, sind multiple Transfusionen notwendig. Die verwendeten Thrombozytenkonzentrate müssen dabei negativ auf die mütterlichen Alloantikörper getestet sein. Unter Umständen können auch die mütterlichen Thrombozyten zur Transfusion gewonnen werden. Für beide Maßnahmen empfiehlt sich die Durchführung in erfahrenen Zentren.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Postnatal
Mittels Transfusion von Thrombozytenkonzentraten kann postnatal ein Anstieg der Thrombozytenzahlen im kindlichen Blut erreicht werden. Ist eine Alloimmun-Thrombozytopenie zum Zeitpunkt der Geburt bereits bekannt, sollten passende (HPA-kompatible) Thrombozytenkonzentrate bereitgestellt werden. Als ideale Spenderin bietet sich die Mutter an, da die noch vorhandenen Alloantikörper im fetalen Kreislauf mit den mütterlichen HPA nicht reagieren. Kann eine Transfusion von mütterlichen Thrombozyten nicht rechtzeitig erfolgen, können auch Konzentrate aus Spenderdatenbanken beigezogen werden.
In milderen Fällen der neonatalen Alloimmun-Thrombozytopenie reicht eine engmaschige Kontrolle der Blutwerte, sowie eine regelmäßige Ultraschalluntersuchung des Kopfes aus. Sollten die Thrombozytenzahlen zu einem späteren Zeitpunkt erneut abfallen, ist die Gabe von Thrombozytenkonzentraten niedrigschwellig zu erwägen.
Prognose
Einige Wochen nach der Geburt normalisiert sich die Thrombozytenzahl des Neugeborenen. Wenn zuvor keine Komplikationen unter der Thrombozytopenie aufgetreten sind, bleibt die Erkrankung dann in der Regel folgenlos.
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