Mangelhafter Schamschluss (Pferd)
Synonyme: mangelhafter Vulvaschluss, ungenügender Schamschluss
Definition
Als mangelhaften Schamschluss bezeichnet man eine aufgrund ungünstiger Körperkondition und abweichender anatomischer Verhältnisse offen stehende Vulva. Sie kann zu entzündlichen Erkrankungen des Genitaltrakts führen.
Vorkommen
Ein mangelhafter Schamschluss wird v.a. bei Stuten mit hohem Vollblutanteil beobachtet. Betroffene Tiere weisen zusätzlich eine schmale Beckenform und stark gewinkelte Hinterbeine auf.
Ätiologie
Folgende Faktoren begünstigen einen mangelhaften Schamschluss:
- Schwund des perianalen Fettgewebes
- schräge Beckenlinie bei schmaler Beckenform
- schräge Stellung der Vulva
- vorausgegangene Geburtsverletzungen
Pathogenese
Bei fortschreitendem Alter und nach wiederholten Trächtigkeiten sowie Geburten kommt es v.a. bei Vollblutpferden zu einer massiven Abnahme des perianalen Fettgewebes. Die Muskulatur baut ab, die Beckenbänder erschlaffen und die Körperhaltung verändert sich. Durch die unphysiologischen anatomischen Verhältnisse (bei gleichzeitig schlechtem Fütterungszustand) sinkt der Anus zunehmend nach kranial ein, weshalb die Vulva schräg gestellt wird. Durch die Lageveränderung der Vulva wird die Schamspalte auffallend lang gezogen.
Während bei gesunden Stuten die dorsale Vulvakommisur etwa auf Höhe einer gedachten Verbindungslinie zwischen den beiden Sitzbeinhöckern liegt, endet die Rima vulvae bei erkrankten Tieren deutlich weiter dorsal. In besonders ausgeprägten Fällen befindet sich die gesamte Schamspalte oberhalb des knöchernen Beckens, sodass sie nahezu horizontal liegt.
Durch die schräg gestellte und lang gezogene Lage steht die Vulva stets offen, sodass bei Bewegung Luft in die Vagina gezogen wird (Pneumovagina). Zusätzlich findet eine fäkale Kontamination der Rima vulvae und des Scheidenvorhofs statt. Bei gleichzeitig offen stehender Zervix (während der Rosse) wird die Luft auch in den Uterus gesaugt. Durch die ständige mechanische Reizung der Schleimhaut entwickelt sich eine Vaginitis, Zervizitis und letztendlich auch eine Endometritis. Eine zusätzliche Kontamination mit Fäkalkeimen begünstigt die Entstehung einer bakteriellen Endometritis.
Klinik
Betroffene Stuten leiden an rezidivierenden Entzündungen des äußeren und inneren Genitaltrakts. Bei der Adspektion der Genitalregion fällt eine offen stehenden Vulva, v.a. im ventralen Kommissurbereich, auf. Sowohl die Schleimhaut als auch Anteile der Klitoris sind sichtbar.
Bei leichtem Spreizen der Labien wird sofort Luft in den Scheidenvorhof und in die Vagina eingezogen. Bereits bei wenig geöffneter Schamspalte kann der Hymenalring begutachtet werden. In ausgeprägten Fällen ist auch ein Blick bis auf die Zervix möglich. Diese Stuten zeigen auch während der Fortbewegungen, insbesondere beim Galoppieren oder Springen, ein deutlich hörbares Ansaugen von Luft.
Diagnose
Eine Verdachtsdiagnose kann häufig bereits bei der adspektorischen Beurteilung der äußeren Geschlechtsorgane geäußert werden.
Bei der rektalen Palpation kann Luft in der Vagina ertastet werden. Bei einer gleichzeitig offen stehenden Zervix lässt sich auch ein Pneumoendometrium im Ultraschallbild darstellen (diffuse echoreiche Partikel, verteilt im gesamten Uterus). Bei der Vaginoskopie ist sowohl die Vestibulum- als auch Vaginalschleimhaut teils stark gerötet. Das Sekret am Boden der Vagina ist von schaumiger Konsistenz. Manchmal liegt gleichzeitig auch eine Urovagina vor.
Mithilfe einer Endometriumbiopsie lässt sich eine chronische Endometritis nachgewiesen. Im histologischen Schnittbild fällt v.a. ein hoher Anteil an eosinophilen Granulozyten auf.
Therapie
Ziel der Therapie ist es, die Pneumovagina durch eine chirurgische Korrektur des Schamschlusses zu verhindern. Hierfür empfiehlt sich z.B. die Vulvaplastik nach Caslick (Caslick-OP).
Bei der Caslick-OP wird der dorsale Vulvawinkel so weit nach ventral verlegt, dass er sich unterhalb der gedachten Verbindungslinie zwischen den Sitzbeinhöckern befindet. Die Schamspalte muss jedoch so weit offen bleiben, dass ein Harnabsatz ungehindert möglich ist. Die Operation kann am stehend sedierten Tier vorgenommen werden. Parallel dazu ist die Körperkondition durch Anpassung der Fütterung und des Trainings zu verbessern.
Literatur
- Aurich C (Hrsg.). 2009. Reproduktionsmedizin beim Pferd. Gynäkologie - Andrologie - Geburtshilfe. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Parey-Verlag. ISBN: 978-3-8304-4179-3