Leistenkanal (Embryologie)
Definition
Die Embryologie des Leistenkanals umfasst die Prozesse, die während der Embryonalentwicklung zur Ausbildung einer Verbindung zwischen Bauchhöhle und äußerer Genitalregion führen.
siehe Hauptartikel: Leistenkanal
Abläufe
Eine kleine Ausstülpung des Peritoneums, der sogenannte Processus vaginalis peritonei, entwickelt sich auf drei Seiten jedes Gubernaculums und bildet eine fast ringförmige, blind endende Höhle. Wenn der Processus vaginalis nach inferior vorwächst und zu einer sockenartigen Ausstülpung der Bauchdeckenschichten führt, entsteht der Leistenkanal. Die erste Schicht ist die Fascia transversalis unter dem Musculus transversus abdominis, die später zur Fascia spermatica interna des Samenstrangs wird. Der Processus vaginalis trifft nicht auf den Muskel selbst, da er in dieser Region eine Lücke aufweist. Anschließend nimmt der Processus vaginalis die Fasern und die Faszie des Musculus obliquus internus abdominis auf. Diese werden zur Fascia cremasterica des Samenstrangs. Schließlich nimmt der Processus vaginalis eine dünne Schicht des Musculus obliquus externus abdominis auf, die zur Fascia spermatica externa wird. Wenn sich der Processus vaginalis ausdehnt, höhlt er den Leistenkanal aus und bildet einen Hohlraum, in dem der Hoden beim Mann hinabsteigt (Descensus testis). Bei Mädchen bleibt der Processus vaginalis rudimentär und bildet sich normalerweise im Laufe der Entwicklung zurück.
...beim Mann
Während der Fetalentwicklung sinken Hoden und Ovarien von ihrer ursprünglichen Position ab. Der Abstieg ist abhängig vom ligamentären Gubernaculum. In der 7. Woche verdichtet das Band sich in der subserösen Faszie in einer länglichen Peritonealfalte auf beiden Seiten der Wirbelsäule. Zwischen der 7. und 12. Woche verkürzten sich die extrainguinalen Anteile der Gubernacula und ziehen den Hoden in die Ebene der Fascia subserosa, während sich das kraniale Keimdrüsenband zurückbildet. Die Gubernacula verkürzen sich primär durch eine Schwellung an ihrer Basis, was weiterhin der Erweiterung des Leistenkanals dient. Vom 3. bis zum 7. Monat verbleiben die Hoden in der Nähe des inneren Leistenrings, treten dann aber durch erneute Verkürzung der Gubernacula in den Leistenkanal ein (inguinoskrotale Phase). Die Hoden verbleiben innerhalb der Fascia subserosa des Processus vaginalis, durch den sie in Richtung Skrotum absteigen. Der erhöhte intraabdominelle Druck unterstützt die Bewegung der Hoden durch den Kanal. Im 9. Monat sind die Hoden vollständig in das Skrotum eingedrungen und das Gubernaculum ist bis auf ein schmales Band zurückgebildet, das den kaudalen Pol des Hodens mit dem Boden des Skrotums verbindet. Innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt ist der kraniale Teil des Processus vaginalis in der Regel verödet, so dass nur ein distaler Restsack, die Tunica vaginalis testis, übrig bleibt, der anterior des Hodens liegt. Im Säuglingsalter umhüllt dieser Sack den größten Teil des Hodens, wobei sein Lumen normalerweise kollabiert ist.
Bei der inguinoskrotalen Phase spielen Androgene und Hypophysenhormone eine Rolle. In der vorherigen intraabdominellen Phase scheinen vom Hoden freigesetzte Faktoren wie Insulinähnlicher Faktor 3 oder Relaxinähnlicher Faktor (RLF) eine wichtige Rolle zu spielen. Weiterhin ist der Nervus genitofemoralis an der Verkürzung der Gubernacula beteiligt.
...bei der Frau
Auch der weibliche Embryo entwickelt ein Gubernaculum und einen rudimentären Leistenkanal. Das Gubernaculum schwillt weder an noch verkürzt es sich. Es führt jedoch dazu, dass die Eierstöcke im dritten Monat nach unten wandern und in eine peritoneale Falte, das so genannte Ligamentum latum uteri, verlagert werden. Zu dieser Verlagerung kommt es, weil das Gubernaculum in der 7. Woche mit den sich entwickelnden Müller-Gängen verbunden wird. Wenn sich die Müller-Gänge von ihren kaudalen Enden aus zur Vagina und zur Gebärmutter zusammenschließen, reißen sie die breiten Bänder heraus und ziehen gleichzeitig die Eierstöcke in diese Peritonealfalten.
In Abwesenheit männlicher Hormone bleibt das weibliche Gubernaculum intakt und wächst analog zum restlichen Körper. Das untere Gubernaculum wird zum Ligamentum teres uteri, das die Faszie der großen Schamlippen mit der Gebärmutter verbindet. Das obere Gubernaculum wird zum Ligamentum ovarii proprium, das die Gebärmutter mit dem Eierstock verbindet. In Abwesenheit von Androgenen bleibt auch das kraniale Keimdrüsenband bestehen und verankert als Ligamentum suspensorium ovarii den Eierstock hoch im Bauchraum.
Wie bei den Männern ist der Processus vaginalis des Leistenkanals normalerweise verödet. Gelegentlich bleibt er jedoch offen und kann zu einer indirekten Leistenhernie führen.