Fragment-basiertes Wirkstoffdesign

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Englisch: fragment based drug discovery (FBDD)
Definition
Das Fragment-basierte Wirkstoffdesign (fragment based drug discovery, FBDD) ist eine Methode zur Entdeckung neuer Arzneistoff-Hits. Es handelt sich um eine Methode des Wirkstoffdesigns. Beispiele für Arzneistoffe, die mithilfe eines FBDD entwickelt wurden, sind Venetoclax, Vemurafenib, Capivasertibund Asciminib.
Allgemeines
Beim FBDD werden sogenannte Fragmente, also kleine, organische Moleküle, auf ein Protein gegeben. Als Protein wird ein potentielles Wirkstoff-Target eingesetzt, für das ein Arzneistoff gefunden werden soll. Mithilfe verschiedener Techniken und Methoden kann festgestellt werden, ob die Fragmente an das Protein binden, inhibieren oder aktivieren. Da die Fragmente selbst nur eine geringe Affinität aufweisen, werden diese in einem nächsten Schritt erweitert, um größere und bessere Liganden zu entwickeln. Dieser Zyklus wird so oft weitergeführt, bis die erhaltene Verbindung eine ausreichende Affinität aufweist.
Ein Vorteil des FBDD ist die Verwendung von Fragmenten: Die initialen Hits einer drug discovery Kampagne sind meist nur schwache Liganden. Da Fragmente kleine Moleküle sind, können sie noch chemisch erweitert und modifiziert werden, ohne ihre drug likeliness zu verlieren (siehe Lipinski's rule of five). Hits aus herkömmlichen Methoden sind bereits große Moleküle, deren chemische Erweiterung zu Problemen bei der Pharmakokinetik führen können. Mittlerweile wurden für das FBDD High-Throughput-Systeme entwickelt, mit denen eine Vielzahl an Fragmenten gescreent werden können.
Fragmente
Die Fragmente, die eingesetzt werden, sind kleine organische Moleküle. In Anlehnung an Lipinski's Rule of five gehorchen die Fragmente einer rule of three: Ihre Molekularmasse ist niedriger als 300 g/mol, sie haben einen logP-Wert von unter 3 und drei oder weniger Wasserstoffbrückenakzeptoren und -donoren.
Für ein Screening werden Fragment-Bibliotheken eingesetzt. Um mit den in der Molekularbiologie verwendeten 96-Well-Platten kompatibel zu sein, bestehen sie oft aus 96 oder einem Vielfachen von 96 Fragmenten. Anders als beim High-Throughput-Screening, bei dem Millionen von Verbindungen gescreent werden, sind Bibliotheken beim FBDD nicht größer als wenige Tausende Verbindungen. Die Anzahl der Fragmente hängt auch von der Geschwindigkeit der verwendeten Screening-Methode ab.
Die Fragmentbibliotheken können nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellt werden. Ein Kriterium, das häufig benutzt wird, ist die Abdeckung eines möglichst großen chemischen Raumes: Die Fragmente werden so ausgesucht, dass sie aus chemisch-struktureller Sicht möglichst divers sind. Andere möglichen Kriterien sind bereits verfügbare Daten (z. B. Auswahl von Fragmenten, mit denen es möglichst viele Proteinstrukturen gibt), die Verfügbarkeit oder die Möglichkeit, die Fragmente chemisch weiter modifizieren zu können.
Screening-Methoden
Als Screening-Methoden haben sich diverse Methoden etabliert, die ein Bindungsereignis feststellen können:
- Mikroskalierte Thermophorese (MST): Bei dieser Methode wird die Änderung des hydrodynamischen Radius in Gegenwart eines Liganden bestimmt werden. Wenn der Ligand in verschiedenen Konzentrationen eingesetzt wird, kann die Affinität bestimmt werden. Nachteil ist, dass nicht alle bindende Fragmente zu einer Änderung des Proteinradius führen.
- Oberflächenplasmonenresonanzspektroskopie (SPR)
- Thermal shift assay (TSA): Diese Methode bestimmt die Schmelztemperatur des Proteins in Gegenwart eines Liganden.
- Isotherme Titrations Kalorimetrie (ITC): ITC misst die freigesetzte Wärmemenge, wenn ein Ligand einem Protein zugegeben wird. Vorteil ist, dass mit ihr die Bindungskonstante, Stöchiometrie, Freie Enthalpie und Entropie des Bindungsereignisses bestimmt werden können. Nachteil ist der Aufwand zur Etablierung einer funktionierenden Bedingung und der instrumentelle Aufwand.
- NMR: Diverse Methoden, die auf der Kernresonanzmagnetspektroskopie beruhen, werden eingesetzt.
- Röntgenstrukturanalyse
Die Methoden unterscheiden sich in ihrer Sensitivität und führen jeweils zu einer unterschiedlichen Anzahl und Art an Hits. Am sensitivsten hat sich die Methode der Röntgenstrukturanalyse von Proteinkristallen herausgestellt. Bei dieser werden Proteinkristalle mit den Fragmenten gesoakt und anschließend die Proteinstruktur mittels Röntgenstrukturanalyse gelöst. Auf diese Weise kann nicht nur festgestellt werden, ob ein Fragment bindet, sondern auch, wie es in der Bindetasche liegt. Dies liefert wertvolle Informationen, wie das Fragment weiter modifiziert werden könnte, um bessere Liganden zu erhalten. Diese Form des Fragmentscreenings wird auch als kristallographisches Fragmentscreening (crystallographic fragment screening, CFS) bezeichnet. Durch Fortschritte der Synchrotrontechnik bieten diverse Teilchenbeschleuniger die Betreuung eines CFS an, bei dem im Rahmen einer Kampagne mehrere hundert Proteinstrukturen in kurzer Zeit gelöst werden können.
Modifikation der Fragmente
Sobald ein Fragment als Hit identifiziert wurde, wird es chemisch modifiziert, um besser an das Protein binden zu können. Während Hits aus klassichen High-Throughput-Screenings oft schon eine mikro- bis nanomolare Affinität aufweisen, liegt die Affinität der Fragmente im oberen mikro- bis millimolaren Bereich. Durch Vergrößerung der Fragmente können weitere Aminosäuren der Bindetasche adressiert werden, wodurch das Fragment größer wird und seine Affinität steigt. Wenn eine Struktur des Proteins oder des Fragment-Protein-Komplexes vorliegt, können auch computerchemische Methoden wie Docking verwendet werden, um optimale Modifikationen zu finden.
Zur Erweiterung eines Fragmentes haben sich drei Methoden etabliert:
- fragment growing: Bei dieser Methode wird das Fragment an einer Stelle erweitert, um einen größeren Platz in der Bindetasche einzunehmen.
Die beiden folgenden Methoden werden eingesetzt, wenn mehrere Fragmente als Hits identifiziert wurden. Wenn eine Proteinstruktur im Komplex mit den Fragmenten vorliegt, ist dies von weiterem Vorteil:
- fragment linking: Es können Strukturelemente aus zwei verschiedenen Fragmenten verbunden werden. Dies wird gemacht, wenn zwei Fragmente an zwei verschiedenen Stellen einer Bindetasche binden.
- fragment merging: Wenn zwei Fragmente ein ähnliches Grundgerüst, aber verschiedene Substituenten aufweisen, kann das Grundgerüst mit den Substituenten aus mehreren Fragmenten versehen werden. Dies wird ausgeführt, wenn mehrere Fragmente an der gleichen Stelle einer Bindetasche binden.
Literatur
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