Arzneimittelentwicklung
Definition
Die Arzneimittelentwicklung erstreckt sich von der Suche nach neuen wirksamen Substanzen und ersten Testungen im Labor und im Rahmen von Tierversuchen bis zur Erprobung am Menschen, die im günstigen Fall in einer Arzneimittelzulassung endet.
Ablauf
Präklinische Forschung
Hier wird zunächst nach Substanzen mit potenzieller therapeutischer Bedeutung gesucht. Dies kann durch Zufallsentdeckungen geschehen, meist aber nach einem "kontrollierten Zufallsprinzip": Mit Hilfe der kombinatorischen Chemie werden tausende neuer Verbindungen synthetisiert und dann mittels Hochdurchsatz-Technik nach Verbindungen mit der gewünschten Wirkung gesucht. Es folgen diverse biochemisch-pharmakologische Laborversuche, wie zum Beispiel Rezeptor-Bindungsversuche.
Um die Wirkung der Substanz im Organismus zu testen, sind Tierversuche nötig. Nur hier erkennt man den Einfluss physiologischer Regulationsmechanismen auf die Substanzwirkung, sowie Nebenwirkungen. Bei den Nebenwirkungen müssen folgende Aspekte beachtet werden:
- Toxizität bei akuter, chronischer Anwendung
- Mutagenität (Erbgut schädigend)
- Kanzerogenität (Krebs verursachend)
- Teratogenität (Missbildungen auslösend)
Der präklinische Abschnitt der Entwicklung dauert ungefähr 10 Jahre und nur wenige Substanzen stellen sich als geeignet heraus und schaffen es bis in die klinische Studien.
Klinische Studie
Vorbemerkung: Von denen, die es bis zu der klinischen Studie gebracht haben, fallen auch noch einmal viele durch: Nur ca. 8 % schaffen es bis zur Marktreife. Hauptgrund für das Scheitern sind aber nicht die Nebenwirkungen (diese konnten meist schon in den Tierversuchen beobachtet werden), sondern mangelnde Wirksamkeit beim Menschen und eine ungünstige Pharmakokinetik.
Die Durchführung ist streng geregelt, besonders wichtig hierfür sind §§40 und 41 des Arzneimittelgesetzes.
Phasen
Eingeteilt werden die Studien in vier Phasen, wobei die nächste nur gestartet wird, wenn die vorherige erfolgreich abgeschlossen wurde.
Phase 1
Das Ziel der ersten Phase ist die
- Untersuchung auf die Verträglichkeit beim Menschen
- eine günstige Dosierung
- die Pharmakokinetik (Aufnahme, Verteilung, Ausscheidung) und
- Pharmakodynamik (Wirkung).
Die Probanden der ersten Phase sind ausschließlich Gesunde, nur wenn das Medikament mit schweren Nebenwirkungen behaftet ist (besonders Zytostatika), erfolgt die Testung an Todkranken, die mit den herkömmlichen Methoden austherapiert sind.
Die Anzahl der Probanden ist noch sehr klein in dieser Phase, meist 20-80. Die Dauer beträgt im Allgemeinen 9 bis 24 Monate.
Phase 2
Ab dieser Phase erfolgt die Testung an Patienten (in Phase 2 ca. 50-200), so dass nun die therapeutische Wirksamkeit ermittelt werden kann.
Auch in dieser Phase wird auf Nebenwirkungen geachtet, die Wirksamkeit steht aber im Vordergrund.
Phase 3
In dieser Phase wird getestet, ob die neue Therapieform etablierten gegenüber überlegen oder zumindest gleichwertig ist. Die Patienten (ca. 200-10.000, häufig an verschiedenen Kliniken) werden auf zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Gruppe erhält die neue Behandlungsform, die andere Gruppe dient als Kontrollgruppe und erhält ein Placebo oder die bisher beste Behandlung, z. B. wenn der Verzicht auf eine Therapie mit Nachteilen für die Patienten verbunden ist.
Die Teilnehmer der Gruppen müssen in allen entscheidenden Aspekten vergleichbar sein, meist erfolgt die Verteilung auf die Gruppen randomisiert (nach einer Zufallsverteilung). Üblicherweise handelt es sich um einen Doppelblindversuch: Weder Patient noch behandelnder Arzt wissen, ob der Patient der Verum- oder der Kontrollgruppe angehört. Die Verblindung soll eine Verfälschung der Ergebnisse durch eine bestimmte Erwartungshaltung (Rosenthal-Effekt) verhindern.
Die Aussagekraft der Studie kann zusätzlich erhöht werden durch ein „Crossover“: Einem Austausch von Verum und Placebo innerhalb einer Gruppe, so dass jeder Proband zu seiner eigenen Kontrolle wird.
Zulassung
Nachdem die dritte Phase erfolgreich abgeschlossen wurde, erfolgt die Prüfung auf die Zulassung des Arzneimittels. Hierbei werden die Ergebnisse der einzelnen Phasen vor allem hinsichtlich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit überprüft.
In Deutschland ist hierfür das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) zuständig, eine staatliche Behörde mit Sitz in Bonn. Alternativ kann dies auch durch die Kommission der Europäischen Union geschehen, hier werden die Unterlagen durch die EMA (European Medicines Agency) geprüft, die ihren Sitz in Amsterdam hat. Nach der Zulassung folgt Phase 4.
Phase 4
Nach der Markteinführung wird die neue Behandlungsmethode durch die sie anwendenden Ärzte weiter beobachtet.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und sehr seltene Nebenwirkungen werden meist erst jetzt beobachtet: Wegen der extremen Kosten bei den kontrollierten klinischen Studien von Phase 1-3 sind die Teilnehmerzahlen dort begrenzt. Erst in Phase 4 hat man hierfür genügend Patienten und auch die Folgen einer Langzeittherapie werden ersichtlich. Beobachtungen für spezielle Patientenkollektive, wie z. B. Schwangere können gemacht werden.
Verdachtsfälle von unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu richten.
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