Docking
Wir werden ihn in Kürze checken und bearbeiten.
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Synonym: Molekulares Docking
Englisch: docking
Definition
Docking ist ein bioinformatisches bzw. chemoinformatisches Verfahren, bei dem in silico die räumliche Interaktion zwischen Ligand und Target-Molekül berechnet wird. Docking ist eine wichtige Methode in der Arzneistoffentwicklung.
Grundlagen
Beim Docking werden mehrere Prozesse durchlaufen:
- Beim Posing wird die Konformation und Orientierung des Liganden in der Bindetasche des Proteins vorhergesagt
- Beim Scoring wird überprüft, wie gut der Ligand in die Bindetasche passt. Hierfür können verschiedene Scoring-Funktionen eingesetzt werden.
- Das Ranking ist ein fortgeschrittenes Scoring, bei dem noch zusätzliche Parameter berücksichtigt werden (z. B. Desolvatations-Energien und Entropie) und das vorläufige Ergebnis der Posing- und Scoring-Berechnungen nutzt.
Für die Berechnung der Interaktionen wird auf Standardpotentialfunktionen zurückgegriffen, die auf der Coulomb-Gleichung und der Van-der-Waals-Kraft (Lennard-Jones-Potential) beruhen. Fortgeschrittenere Algorithmen können darüber hinaus noch weitere Kräfte und Interaktionen berücksichtigen.
Posing
Für die Durchführung des Posing gibt es verschiedene Suchmethoden. Ein Grundproblem des Prozesses ist, dass sowohl der Ligand als auch das Protein flexibel sind und mehrere Konformationen einnehmen können, von denen die optimale auszuwählen ist. Der Fokus der Konformatinsanalyse liegt jedoch auf dem Liganden, weil solche Analysen für ein Protein (sogenannte MD-Simulationen) aufwendig sind. Mögliche Suchmethoden für das Posing sind:
- Systematische Suche (systematic search): Hier wird zuerst das stabile Kernelement des Liganden platziert und anschließend die flexiblen Seitenketten eingefügt. Dieses Verfahren ist sehr rechenintensiv, da sich kombinatorisch sehr viele Konformere ergeben.
- Zufällige Suche (random search): Hierbei wird der Ligand zufällig verändert und anhand einer Wahrscheinlichkeitsfunktion daraufhin getestet, wie gut er in die Bindetasche passt. Für dieses Verfahren kann ein MonteCarlo-Algorithmus eingesetzt werden, der immer zwei Konformere vergleicht und das bessere weiter optimiert, und ein genetischer Algorithmus, bei dem der Ligand in Form von Bytes gespeichert wird, die virtuell nach evolutionären Verfahren verändert werden.
- Simulation methods: Bei diesen Verfahren wird auch das Protein als flexibel angesehen, d. h. es werden MD(Molekulardynamik)-Simulationen ins Docking integriert.
Scoring
Das Scoring bewertet die durch das Posing ermittelte Ligandenkonformation. Somit laufen Posing und Scoring immer abwechselnd ab. Es dient somit der Unterscheidung von "echten" und "falschen" Liganden. Hierfür gibt es verschiedene Scoring-Funktionen:
- Kraftfeldbasiertes Scoring (force-field-based): Hierbei wird die Summe zweier Energien (Rezeptor-Ligand-Interaktionsenergie und interne Ligandenenergie) berechnet. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass Solvatation und Entropie nicht berücksichtigt werden.
- empirische Scoring-Funktionen: Diese Scoring-Funktionen können experimentelle Daten reproduzieren. Im Experiment ermittelte Daten können durch die Summe nicht miteinander verwandter Funktionen angenähert werden. Anders als andere Methoden beruht diese Art des Scorings stark auf experimentellen Daten, die statistisch bzw. empirisch ausgewertet werden.
- Wissens-basierte Scoring-Funktionen (knowledge-based): Diese Funktionen reproduzieren experimentelle Strukturen anstelle von Bindungsenergien. Hierfür werden einfache Atom-Atom-Interaktionspotentiale modelliert. Nachteil der Methode ist, dass es bereits experimentell gelöste Protein-Ligand-Strukturen des Zielproteins geben muss.
- Konsensus-Scoring: Beim Konsensus-Scoring werden verschiedene Scoring-Funktionen verbunden, um die Nachteile einzelner Scoring-Funktionen auszugleichen.
Anwendung des Dockings in der Wirkstoffentwicklung
Docking findet in der Wirkstoffentwicklung breite Anwendung, da mit dieser Methode zum einen Hits identifiziert werden können und zum anderen deren Bindungsmodus berechnet wird, d. h. die Orientierung des Liganden in der Bindetasche. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es sich lediglich um Berechnungen und Simulationen handelt, die immer experimentell bestätigt werden müssen. Vor allem bei großen und flexiblen Liganden kann immer ein Bindungsmodus gefunden werden, da diese viele Konformationen einnehmen und somit jede erdenkliche Interaktion in einer Bindetasche ausbilden können. Dies kann durch die Einführung von Entropie-Termen verhindert werden.
Für die praktische Durchführung eines Dockings muss zuerst eine möglichst gute experimentelle Struktur des Zielproteins vorhanden sein. Es können auch Homologiemodelle verwendet werden, die nicht auf experimentellen Daten beruhen; die Ergebnisse aus experimentellen Strukturen sind jedoch vertrauenswürdiger. Von den zu testenden Liganden können im Computer ausgehend von der Strukturformel 3D-Modelle erzeugt werden. Vor Durchführung des Dockings ist der Zustand der Bindetasche genau zu prüfen, vor allem in Hinsicht auf das Vorhandensein von Wassermolekülen und dem Ladungszustand saurer oder basischer Aminosäuren, da dies einen großen Einfluss auf die elektrostatischen Wechselwirkungen hat.
Docking-Studien werden vor allem an zwei Punkten der Wirkstoffentwicklung eingesetzt: Der Hit-Identifizierung und der Lead-Optimierung. Ziel der Hit-Identifizierung ist es, überhaupt erst eine Verbindung zu finden, die in das Protein bindet, um von diesem Hit ausgehend einen Arzneistoff zu entwickeln. Hier bietet das Docking gegenüber experimentellen Methoden den Vorteil, dass es weniger kosten- und ressourcenintensiv ist: Beim Virtual Screening können virtuelle Substanzbibliotheken, die mehrere Millionen Verbindungen umfassen, in ein Protein gedockt werden. Experimentell geprüft werden dann nur die Verbindungen, die ein positives Docking-Ergebnis haben, was eine große Zeitersparnis ergibt. Hierbei gilt jedoch zu beachten, dass es "frequent hitters" gibt, die unspezifisch viele Proteine hemmen können und deshalb nicht für eine Arzneistoffentwicklung geeignet sind. Um die Ausbeute an positiven Hits zu erhöhen, können die virtuellen Bibliotheken gefiltert werden, z. B. um unspezifische Inhibitoren herauszufiltern oder um möglichst verschiedene Verbindungen einzuschließen.
Bei der Lead-Optimierung gibt es bereits einen Hit, dessen Bindungseigenschaften und -stärke im Rahmen der Arzneistoffentwicklung weiter verbessert werden soll. Hierfür werden chemische Reste und funktionelle Gruppen angefügt oder entfernt. Plant man, den ursprünglichen Hit auf eine spezielle Weise zu modifizieren, kann man die modifizierte Verbindung im 3D-Modell erstellen, in das Protein docken und auf diese Weise beurteilen, wie und ob die geplante Veränderung das Bindungsverhalten der Verbindung optimiert. Auf diese Weise kann man z. B. virtuell versuchen, weitere Untertaschen der Bindetaschen zu füllen oder spezielle Aminosäuren zu adressieren, ohne gleich eine Reihe an Folgeverbindungen synthetisieren zu müssen. Diese Follow-Up-Verbindungen können auch automatisch erstellt werden. Das Docking dient in diesem Fall als Hilfsmittel für die Planung weiterer Verbindungen auf dem Weg zum neuen Arzneistoff. Die Genauigkeit der Docking-Berechnungen kann dadurch verbessert werden, dass man eine experimentelle Struktur des Proteins mit dem Liganden ermittelt.
Literatur
Kitchen et al. Docking and scoring in virtual screening for drug discovery: Methods and applications. Nature Reviews. Drug Discovery, 3(11), 935–949. 2004