Kinozilie
von altgriechisch: κίνησις ("kinesis") - Bewegung
von lateinisch: cilium - Wimper
Synonyme: sekundäre Zilie, Kinozilium, Flimmerhärchen
Englisch: kinocilium
Definition
Kinozilien sind bewegliche (motile) Zilien. Sie dienen primär dem aktiven Transport von Flüssigkeiten und Partikeln über Epitheloberflächen.
Histologie
Kinozilien sind in Kinetosomen (Basalkörpern) im apikalen Zytoplasma verankert. Strukturell bestehen sie aus Mikrotubulipaaren. Sie bilden eine 9x2+2-Konfiguration, die auch als Axonem bezeichnet wird. Dabei umgeben neun periphere Mikrotubuli-Doubletten zwei zentral liegende, einzelne Mikrotubuli (Singletts). Die Doubletten bestehen jeweils aus einem A-Tubulus und einem B-Tubulus, die wiederum aus 13 (beim A-Tubulus) bzw. 10 Protofilamenten (beim B-Tubulus) aufgebaut sind. Diese Protofilamente bilden sich durch eine abwechselnde Anordnung von α- und β-Tubulin-Heterodimeren.
Die Mikrotubuli sind untereinander zum Zwecke der Stabilität durch Nexin verbunden. Durch das kontraktile Protein Dynein sind die Zilien zu Bewegungen befähigt. Sie kommen u.a. in den Atemwegen (respiratorisches Flimmerepithel), in der Tuba uterina und in den Ductuli efferentes vor.
Physiologie
Im Gegensatz zu Geißeln schlagen Kinozilien uniplanar, d.h. in einer Ebene. Ebene und Schlagrichtung sind fest vorgegeben. Die Bewegung selbst erfolgt asynchron und peitschenartig: Beim kräftigen Vorschlag ist die Zilie nahezu gestreckt, während der langsamere Rückschlag gekrümmt abläuft. Eine von der Basis zur Spitze wandernde Biegungswelle führt die Zilie bei geringem Widerstand des umgebenden Mediums wieder in ihre Ausgangsposition zurück.
Die Funktion von Kinozilien besteht im aktiven Transport von Flüssigkeits- und Schleimfilmen. Alle Kinozilien schlagen koordiniert (metachron) hintereinander, so dass ein gleichmäßiger, gerichteter Flimmerstrom entsteht. Dieser Mechanismus ist die Grundlage der Selbstreinigung des Atemwegsepithels, die als mukoziliäre Clearance bezeichnet wird. Die Ziliarfunktion ist weitgehend autonom, sie erlischt erst 2 Tage post mortem. Ihre Schlagfrequenz schwankt zwischen ca. 2,5 und 30/sec und liegt beim Warmblüter normalerweise um 20/sec.
Während der Embryonalphase erzeugen Kinozilien im embryonalen Primitivknoten einen linksgerichteten Flüssigkeitsstrom, der für die Links-Rechts-Asymmetrie der Organe verantwortlich ist.
Pathophysiologie
Eine Lähmung der Ziliarbewegung kann hervorgerufen werden durch:
- Senkung des pH-Wertes unter 6,4
- Erhöhung des pH-Wertes über 9,0
- allergische Mechanismen (z. B. allergisches Asthma)
- Stoffwechselstörungen (z. B. Mukoviszidose)
- primäre Ziliendysfunktions-Syndrome, z.B. Kartagener-Syndrom
- sekundäre Ziliendysfunktionen, z.B. postinfektiös, durch inhalative Schadstoffbelastung usw.
- physikalische Schädigung (z.B. Kälte, hohe Temperaturen, osmotische Verschiebungen)
- mechanische Schädigungen (z.B. Luftverwirbelungen bzw. Turbulenzen)
Diagnostik
Die Funktion von Kinozilien kann über eine Messung der Transportgeschwindigkeit von Testpartikeln evaluiert werden. In der Nasenhöhle geschieht das z.B. mit Hilfe des Saccharin-Clearance-Tests.
Klinik
Chronische Störungen führen zur Metaplasie des Flimmerepithels in ein Plattenepithel. Dies ist häufig bei starken Rauchern der Fall. Ein geregelter Abtransport des Schleims ist bei fehlenden Flimmerhärchen nicht mehr gewährleistet. Eine Wiederherstellung der normalen Ziliarfunktion ist aber in fast allen Stadien der Störung möglich.