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Epiphysenfugenverletzung

Synonyme: Epiphysenfugenfraktur, Salter-Harris-Fraktur
Englisch: physeal injury, Salter-Harris fracture, Salter fracture

1. Definition

Eine Epiphysenfugenverletzung ist die Verletzung einer Knochenwachstumszone (Epiphysenfuge) im unreifen Skelett von Kindern.

2. Hintergrund

Die Epiphysenfuge besteht histologisch aus mehreren Schichten: Die Keim- oder Reservezone liegt unmittelbar angrenzend an das epiphysäre Ossifikationszentrum. Hier entstehen kleine aktive Chondrozyten aus ruhenden Chondrozyten. Nachfolgend flachen die in Säulen angeordneten Chondrozyten ab (Proliferationszone) und schwellen wieder an (Hypertrophe Zone). In der Verknöcherungszone verkalkt die Knorpelmatrix und Osteoblasten bilden Osteoid. Der äußere perichondrale Ring geht kontinuierlich in das Periost der Metaphyse und Epiphyse über.

Die Oberfläche der Epiphysengrenze zur Metaphyse hin ist aufgrund von kleinen knöchernen Vorsprüngen, den Mamillarfortsätzen, unregelmäßig bzw. geriffelt. Die Metaphyse und die Epiphyse werden überwiegend aus unterschiedlichen Quellen arteriell versorgt. Daher beeinträchtigt eine Epiphysenfugenfraktur nicht deren Blutversorgung. Ausnahmen sind die intraartikulären Femurkopf- und Radiuskopf-Epiphysen.

3. Epidemiologie

Das durchschnittliche Alter liegt bei 11 bis 12 Jahren. Im 16. bis 17. Lebensjahr sind häufiger Jungen betroffen, da die Epiphysenfugen bei Mädchen häufig schon verschlossen sind. Insgesamt treten Epiphysenfugenverletzungen häufiger bei Jungen auf. Eine Beteiligung der Epiphysenfuge findet sich bei 18 % der Frakturen im Kindesalter.

3.1. Lokalisationen

Die häufigsten Lokalisationen sind:

4. Klassifikation

Epiphysenfugenverletzungen werden nach dem Aitken-Schema und häufiger nach der Salter und Harris eingeteilt.

Salter-Harris Aitken Beschreibung Häufigkeit (%)
Typ I 0 Nur Epiphysenfuge betroffen (Epiphysiolyse) 8,5
Typ II 1 Epiphysenfuge und Metaphyse betroffen ("metaphysärer Keil") 73
Typ III 2 Epiphysenfuge und Epiphyse betroffen ("epiphysärer Keil") 6,5
Typ IV 3 Beteiligung von Epiphysenfuge, Metaphyse und Epiphyse 12
Typ V 4 Stauchungsfraktur mit Beteiligung der gesamten oder von Teilen der Epiphysenfuge (Crush-Verletzung) < 1
Beachte:
  • distaler Humerus: fast immer Typ IV
  • distale Tibia: Typ II, III und IV gleich häufig

Rang und Ogden erweiterten 1990 die Einteilung um vier seltene Typen:

  • Typ VI: Verletzung des perichondralen Rings
  • Typ VII: chondrale und osteokartilaginäre Fraktur der Epiphyse ohne Beteiligung der Epiphysenfuge
  • Typ VIII: metaphysäre Fraktur ohne Beteiligung der Epiphysenfuge: führt jedoch zur ischämischen Wachstumsstörung
  • Typ IX: Abrissverletzung des Periost ohne knöcherne Beteiligung: führt zu gestörtem diaphysärem Wachstum

Sonderformen sind z.B.:

5. Komplikationen

Die Epiphysenfugenverletzungen Typ I bis III verlaufen meist unkompliziert. Das normale Knochenwachstum beginnt wieder nach ungefähr 21 Tagen. Eine Fraktur der unteren Extremität zeigt unabhängig vom Frakturtyp eine schlechtere Prognose. In ungefähr 14 % der Fälle treten Komplikationen auf, insbesondere an Knie und Knöchel. Die wichtigste Komplikation ist der vorzeitige Schluss der Epiphysenfuge. Durch frühzeitige Verschmelzung der gesamten Epiphysenfuge kommt es zu einer Verkürzung der betroffenen Gliedmaße. Ist nur ein Teil der Epiphysenfuge betroffen, entsteht eine Achsabweichung. Bei der distalen Tibia findet sich in 27 % der Fälle ein vorzeitiger Epiphysenschluss, bei Triplane-Frakturen (Typ IV) in 21 % der Fälle. Seltener ist der Epiphysenschluss bei Tillaux-Frakturen (Typ III).

Weitere Komplikationen sind:

  • Gelenkfehlstellung
  • Persistierend eingeklemmtes Periost – es kann die Frakturheilung verhindern. Hinweisend ist im Röntgenbild ein posttherapeutisch persistierende Erweiterung der Epiphysenfuge > 3 mm.

6. Radiologie

6.1. Konventionelles Röntgen

Im konventionellen Röntgenbild fällt neben einer möglichen Weichteilschwellung bzw. einem Gelenkerguss ein Frakturspalt auf, der durch die Epiphysenfuge und Metaphyse (Typ II) oder Epiphyse (Typ III) oder durch alle drei Abschnitte (Typ IV) verläuft. Die transversale Scherverletzung beim Typ I zeigt sich durch eine Verbreiterung eines Epiphysenabschnitts oder der gesamten Epiphyse sowie ggf. durch eine zusätzliche Verschiebung. Beim Typ V fällt eine Verengung der Epiphysenfuge auf.

6.2. Computertomographie

Die Computertomographie (CT) wird zur Beurteilung der anatomischen Ausdehnung und des Ausmaßes der Verschiebung bei komplexeren Epiphysenfugenverletzungen durchgeführt, insbesondere bei Triplane-Frakturen der distalen Tibia. Während des Heilungsprozesses dient sie der Beurteilung fokaler knöcherner Überbrückungen über die Epiphysenfuge, insbesondere bei Typ IV oder V.

6.3. Magnetresonanztomographie

In der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen Epiphysenfugenverletzungen ein hohes T2w-Signal. Die Frakturlinie in der Metaphyse oder Epiphyse ist gewöhnlich signalarm in T1w und T2w. Umgebend findet sich ein schmales Ödem. Weiterhin können Knorpelverletzungen, Weichteilschwellung und ein Gelenkerguss vorliegen. Die MRT kann auch einen vorzeitigen Epiphysenfugenschluss nachweisen.

6.4. Sonographie

Die Sonographie wird primär zur Diagnostik bei epiphysealen Geburtsverletzungen ("Pseudodislokationen") eingesetzt. Am häufigsten sind der proximale und distale Humerus sowie der proximale Femur betroffen.

6.5. Differenzialdiagnostik

In der MRT kann eine Epiphysenfugenverletzung mit einem fokalen periphysealen Ödem (FOPE) verwechselt werden.

7. Therapie

Je nach Epiphysenfugenverletzung kommen konservative oder chirurgische Therapien in Frage. Niedrige Salter-Harris-Typen werden meist mittels Ruhigstellung per Gipsverband, höhere Typen mittels ORIF versorgt.

Epiphysenfugenfrakturen des Knies oder Knöchels sollten mindestes 1 Jahr oder bis zur Skelettreife radiologisch untersucht werden, um einen vorzeitigen Epiphysenschluss frühzeitig zu erkennen.

8. Literatur

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Bijan Fink
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Dr. Frank Antwerpes
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21.03.2024, 08:50
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