Clamshell-Thorakotomie
von englisch: clamshell - Muschelschale
Definition
Die Clamshell-Thorakotomie ist eine Form der Eröffnung des Brustkorbs (Thorakotomie), bei der zwei Minithorakotomien miteinander verbunden werden, wodurch eine vollständige Eröffnung des Thorax möglich ist.
Hintergrund
Die Clamshell-Thorakotomie wird vor allem in der Notfallmedizin durchgeführt. Ziel des Eingriffs ist es, reversible Ursachen eines traumatischen Kreislaufstillstands (insbesondere die traumatische Perikardtamponade) unmittelbar zu beheben. Die Clamshell-Thorakotomie ermöglicht darüber hinaus das Übernähen von Herzwandverletzungen. Sie führt auch zu einer Entlastung eines Spannungspneumothorax. Zudem ermöglicht sie eine manuelle proximale Aortenkompression bei starken (distal der Kompression liegenden) Blutungen oder die direkte Versorgung schwerer Lungenverletzungen durch Übernähen oder den sogenannten Hilus-Twist.
Vorgehen
Der Eingriff erfolgt nicht unter aseptischen Bedingungen. Eine kurze Desinfektion kann z.B. durch Übergießen mit Desinfektionsmittel erfolgen. Anderweitig notwendige Maßnahmen (z.B. Sicherung des Atemweges, venöser Zugang) sollten parallel durch andere Teammitglieder erfolgen, um die Thorakotomie nicht zu verzögern.
Jetzt wird beidseits eine Minithorakotomie in Bülau-Position (5. ICR) durchgeführt. Von der mittleren Axillarlinie ausgehend, wird zunächst mit dem Skalpell die Haut, das Subkutangewebe und die Faszie in Richtung des Sternums bis auf die Interkostalmuskulatur durchtrennt. Die Schnitte beider Thoraxseiten werden über dem Sternum verbunden. Im zweiten Schritt wird dann stumpf die Interkostalmuskulatur und die Pleura durchtrennt. Danach erfolgt die Querspaltung des Sternums mit einer Schere oder Gigli-Säge. Anschließend lässt sich der Thoraxraum – vergleichbar dem Aufklappen einer Motorhaube – durch Spreizen des Schnitts muschelförmig öffnen.
Je nach vorliegender Verletzung erfolgt nun z.B. eine Übernähung von Myokardverletzungen. Ist dies nicht möglich, wird im Einzelfall ein Blasenkatheter verwendet, der durch die Verletzung geführt und vorsichtig geblockt zurückgezogen wird, um sie provisorisch zu verschließen.
Parallel sollte eine aggressive Volumentherapie bzw. Massentransfusion erfolgen.
Indikation
Ein Überlebensvorteil konnte bisher nur für die Versorgung penetrierender Thoraxverletzungen mit Perikardtamponade und konsekutivem obstruktivem Kreislaufversagen belegt werden. Das alleinige Ziel einer internen Herzdruckmassage ist keine rechtfertigende Indikation.
Weitere mögliche Indikationen sind im Einzelfall:
- Kreislaufstillstand bei penetrierender Thorax- oder Oberbauchverletzung mit nicht durchführbarer äußerer Herzdruckmassage
- Kreislaufstillstand bei stumpfer Thorax- oder Oberbauchverletzung und dringendem Verdacht auf eine schwere Blutung, die z.B. durch eine Aortenkompression gestoppt werden kann
Kriterien
Das Verfahren sollte nur durchgeführt werden, wenn verschiedene Gesichtspunkte beachtet werden. Als Merkhilfe lässt sich das 4E-Schema des ERC gut anwenden.
- Expertise: Ist ausreichend Training und Expertise im Team vorhanden, um die Maßnahme sicher durchzuführen?
- Equipment: Ist das entsprechende Equipment verfügbar?
- Environment: Stimmen die Umgebungsfaktoren in Bezug auf Wetter, Lichtverhältnisse usw.?
- Elapsed Time: Ist das Eintreten des Herz-Kreislaufstillstandes weniger als 10 Minuten (maximal 15 Minuten beim penetrierenden Trauma) her?
Risiken
- hohe Invasivität
- Infektion
- falsche Durchführung durch fehlendes Training
Kontraindikationen
- Kreislaufstillstand länger als 10 Minuten (bzw. 15 Minuten beim penetrierenden Trauma)
- jegliche Art von Herzarbeit
Literatur
- Wise et al: Emergency thoracotomy: „how to do it“ Emergency Medicine Journal 2005;22:22-24, auch: [1]
- Rudolph et al.: Clamshell-Thorakotomie im Rettungsdienst und Schockraum: Indikationen, Anforderungen und Technik. Notarzt, 2019.