Bayés-Syndrom
nach dem spanischen Kardiologen Antonio Bayés de Luna
Definition
Das Bayés-Syndrom beschreibt das gleichzeitige Vorliegen eines fortgeschrittenen interatrialen Blocks (IAB) und supraventrikulärer Arrhythmien, insbesondere Vorhofflimmern (VHF) oder Vorhofflattern. Es ist das elektrophysiologische Korrelat einer gestörten Vorhoferregung und gilt als unabhängiger Risikofaktor für atriale Arrhythmien und thromboembolische Ereignisse (Schlaganfall).
Pathophysiologie
Die Ursache des Bayés-Syndroms ist eine gestörte Erregungsleitung im Bereich des Bachmann-Bündels, meist infolge degenerativer, fibrotischer oder entzündlicher Veränderungen des Vorhofmyokards. Der linke Vorhof wird dadurch nicht mehr über den physiologischen Leitungsweg aktiviert, sondern über langsamere, kaudale Bahnen retrograd erregt.
Im EKG zeigt sich diese Leitungsstörung durch eine verlängerte P-Wellen-Dauer mit biphasischer Morphologie in den inferioren Ableitungen. Die asynchrone Vorhofaktivierung begünstigt Reentry-Mechanismen und fördert die Entstehung von Vorhofflimmern bzw. Vorhofflattern. Gleichzeitig weist das Syndrom auf strukturelle Veränderungen des Vorhofmyokards, wie bei einer atrialen Myopathie hin, die mit elektrischer Instabilität, eingeschränkter mechanischer Vorhoffunktion und einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse verbunden sind.
EKG-Kriterien
Ein interatrialer Block wird elektrokardiographisch definiert durch:
- Partieller IAB: P-Wellen-Dauer ≥120 ms mit glatter oder verbreiterter Morphologie
- Fortgeschrittener IAB (Bayés-Kriterium):
- P-Welle ≥120 ms
- Biphasische (+/–) P-Wellen in den inferioren Ableitungen (II, III, aVF)
- Hinweis auf retrograde Depolarisation des linken Vorhofs durch Blockade der Bachmann-Bahn
Dieses Muster reflektiert eine verzögerte oder umgeleitete Erregungsausbreitung über den Vorhof, meist über den kaudo-septalen Weg.
Therapie
Beim Bayés-Syndrom liegt der Fokus auf der Behandlung der Grunderkrankungen und der Prävention atrialer Arrhythmien. Dazu gehört die Kontrolle von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, KHK, Adipositas und Schlafapnoe.
Zur Rhythmuskontrolle wird eine engmaschige Überwachung empfohlen. Bei Vorhofflimmern kommen antiarrhythmische Medikamente oder eine Ablation infrage. Die Indikation zur Antikoagulation richtet sich nach dem CHA₂DS₂-VASc-Score und kann auch in präklinischen Stadien erwogen werden.
Prognose
Patienten mit fortgeschrittenem interatrialen Block und Bayés-Syndrom haben ein signifikant höheres Risiko für:
- Vorhofflimmern (bis zu 3-fach erhöht),
- Schlaganfall, auch in Abwesenheit von dokumentiertem VHF,
- kardiovaskuläre Mortalität.
Literatur
- Tse et al., Electrophysiological Mechanisms of Bayés Syndrome: Insights from Clinical and Mouse Studies, Front Physiol, 2016
- Al-Mahdi et al., Bayés syndrome, Rev Port Cardiol, 2020
- Arboix et al., Bayés syndrome and acute cardioembolic ischemic stroke, World J Clin Cases, 2017