Anterolaterale Chordotomie
Englisch: chordotomy
Definition
Die anterolaterale Chordotomie ist ein neuroablatives Verfahren zur Behandlung von therapieresistenten Schmerzen, bei dem im Rückenmark Nervenbahnen für die Schmerzleitung (Tractus spinothalamicus) durchtrennt werden.
Hintergrund
Die Chordotomie wird im Rahmen der palliativen Tumortherapie als "ultima ratio" angewendet. Dieses Operationsverfahren hat sich als wirkungsvoll bewährt, da etwa 90% der Patienten eine deutliche Besserung erfahren bzw. eine vollständige Aufhebung ihrer Schmerzen erleben. Leider beobachtet man ein Sinken der schmerzfreien Patienten nach einem Jahr auf ca. 50-60%. Diesen Effekt erklärt man dadurch, dass alternative Schmerzbahnen aktiviert werden.
Da die Schmerzbahnen auf Segmenthöhe zur Gegenseite kreuzen, dient die anterolaterale Chordotomie der Schmerzbekämpfung auf der kontralateralen Körperseite. Man erzielt den größten Erfolg bei unilateralen Schmerzen, d.h. bei Schmerzen, die sich auf einer Körperseite befinden. In den meisten Fällen erfolgt eine einseitige Operation - sie kann aber auch auf beiden Seiten durchgeführt werden. Da sich bei einem beidseitigen Eingriff auch die Komplikationsrate stark erhöht, wird dieser Eingriff nur selten durchgeführt.
Vorgehen
Präoperativ
- Ausführliche Anamnese
- Aufklärung über mögliche Komplikationen
- röntgenologische Untersuchung der Wirbelsäule
- Aktueller Gerinnungsstatus
Thrombozytenaggregationshemmer sollten mindestens fünf Tage vor der Operation abgesetzt werden.
Intraoperativ
Eine Chordotomie wird entweder als offene Operation oder auch als perkutane Punktion durchgeführt.
Eine perkutane Chordotomie wird am liegenden Patienten durchgeführt. Das gesamte Operationsgebiet wird steril abgedeckt und die zu punktierende Stelle mittels Lokalanästhesie betäubt. Entsprechend der Schmerzsymptomatik muss die Auswahl der Punktionsstelle gewählt werden. Eine Schmerzlinderungg tritt in der Regel 3-5 Rückenmarkssegmente unter der operierten Stelle ein. Sind die Schmerzen in den Beinen, im Becken oder gar im Bauch, wird die Chordotomie hochthorakal im Bereich der Segmente Th2/Th3 durchgeführt. Leidet der Patient an Schmerzen in Brust und Armen, erfolgt der Eingriff im Zervikalbereich (C1/C2).
Um dem Operateur das Aufsuchen des Tractus spinothalamicus zu erleichtern, stehen ihm grundsätzlich zwei Hilfstechniken zur Verfügung:
- Mittels einer Durchleuchtung ist es möglich, eine ständige Kontrolle der Lage der eingeführten Punktionssonde zu überwachen.
- Eine neurophysiologische Kontrolle mittels Impedanzmessung und Stimulation des Nerven erlaubt ebenfalls eine relativ genaue Lokalisation der gewünschten Zielstruktur.
Der Operateur verwendet eine Lumbalpunktionsnadel, die von lateral in den spinalen Subarachnoidalraum eingeführt wird. Bei korrekter Lage der Elektrode im Tractus spinothalamicus zeigt sich ein Gewebewiderstand von 500 bis 1.000 Ohm in der Impedanzmessung.
Die eigentliche Durchtrennung der erwünschten Schmerzbahn erfolgt durch Elektrokoagulation bzw. Thermoläsion. Diese erfolgt in der Regel mit ca. 65-70 °C, wobei hochfrequenter Wechselstrom über eine Zeitspanne von 20-30 Sekunden verwendet wird.
Postoperativ
- Engmaschige Kontrolle mit Fokus auf neurologische Komplikationen
Indikation
- Maligne Tumorleiden, die schwerste, unstillbare Tumorschmerzen in Stamm und Extremitäten verursachen
- Verringerte Lebenserwartung
Komplikationen
- Atemstörungen (vor allem bei beidseitigem Eingriff)
- Mastdarmstörungen und Miktionsstörungen (ebenfalls bei beidseitigem Eingriff)
- Postchordotomiedysästhesie (Missempfindungen, die auf den Eingriff zurückzuführen sind)
- Verletzung der Pyramidenbahn mit einer möglichen Schwäche der Muskulatur (bis hin zur Lähmung) auf der Seite des Eingriffs (ipsilateral)
- Ataxien
- Dysästhesien
- Horner-Syndrom