Atezolizumab
Handelsname: Tecentriq®
Definition
Atezolizumab ist ein monoklonaler Antikörper aus der Gruppe der Checkpoint-Inhibitoren. Er wird in der Onkologie u.a. zur Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) verwendet.
Wirkmechanismus
Atezolizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper des Typs IgG1κ, der spezifisch an PD-L1 ("programmed cell death ligand 1") bindet. Er hemmt die Wechselwirkung zwischen PD-L1 und dem PD-1-Rezeptor. Durch die Bindung an PD-L1 stimuliert Atezolizumab die Aktivierung und Proliferation von zytotoxischen CD8+ T-Zellen, was zur Verstärkung bzw. Wiederherstellung der gegen den Tumor gerichteten T-Zell-Antwort führt.
Pharmakokinetik
Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei rund 27 Tagen. Der Steady state wird bei Gabe von 1.200 mg alle 3 Wochen nach ca. 6 bis 9 Wochen, also nach 2-3 Therapiezyklen erreicht. Eine leichte oder mäßige Einschränkung der Nierenfunktion hat keinen relevanten Einfluss auf die Clearance von Atezolizumab.
Indikationen
- Erstlinientherapie von Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium (ES-SCLC) in Kombination mit Etoposid und Carboplatin
- Erstlinientherapie von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) mit nicht-plattenepithelialer Histologie (Stadium IV) in Kombination mit Carboplatin und nab-Paclitaxel
- Zweitlinientherapie eines lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC), nach vorausgegangener Chemotherapie
- Monotherapie eines lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinoms (UC) nach vorheriger platinhaltiger Chemotherapie oder bei erwachsenen Patienten, für die eine Behandlung mit Cisplatin ungeeignet ist
Weitere Indikationen sind zur Zulassung eingereicht, u.a. die Kombination von Atezolizumab mit Bevacizumab zur Behandlung des hepatozellulären Karzinoms (HCC).[1]
Dosierung
Die empfohlene Dosis von Atezolizumab beträgt 1.200 mg alle 3 Wochen. Der Wirkstoff wird intravenös verabreicht.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Zur Verhinderung infusionsbedingter Reaktionen kann eine Prämedikation mit einem Antipyretikum und Antihistaminikum sinnvoll sein.
Nebenwirkungen
Bedingt durch den spezifischen Wirkmechanismus von Atezolizumab kann es unter der Therapie zu immunvermittelten Nebenwirkungen kommen, die sich als immunvermittelte Pneumonitis, Hepatitis, Myokarditis[2], Nephritis, Kolitis, Pankreatitis, Meningoenzephalitis, Neuropathie oder Endokrinopathie (Diabetes mellitus Typ 1, Nebenniereninsuffizienz, Thyreopathie) manifestieren können.
Folgende Nebenwirkungen treten unter Atezolizumab häufig (≥ 1:100, < 1:10) oder sehr häufig (≥ 1:10) auf:
- Infusionsbedingte Reaktion
- Blutbildendes System: Thrombozytopenie[3]
- Immunsystem: Hypersensitivität
- Endokrines System: Hypothyreose, Hyperthyreose
- Kardiovaskuläres System: Hypotonie
- Atemwege: Dyspnoe
- Gastrointestinaltrakt: Nausea, Diarrhö, Erbrechen, Kolitis, Bauchschmerz, Inappetenz, Dysphagie
- Haut: Exanthem, Pruritus
- Bewegunsgapparat: Schmerzen, Arthralgie
- Fatigue, Fieber, Schüttelfrost, Influenza-ähnliche Symptome
Unter der Behandlung kann eine akute hepatozelluläre oder cholestatische Leberschädigung[4] und ein akutes Nierenversagen[3] eintreten, die schwerwiegend und sogar lebensbedrohlich sein können.
Wechselwirkungen
Da Atezolizumab wie andere Proteine über katabole Stoffwechselwege abgebaut wird, sind keine direkten Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu erwarten.
Eine Verwendung systemischer Glukokortikoide oder Immunsuppressiva vor Behandlungsbeginn mit Atezolizumab sollte jedoch aufgrund möglicher Beeinträchtigungen der Wirksamkeit von Atezolizumab vermieden werden.
Kontraindikation
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff
- Schwangerschaft, Stillzeit
Lagerung
Das Arzneimittel muss im Kühlschrank gelagert werden (2°C - 8°C).
Zulassung
Atezolizumab ist in der EU seit 2017 zugelassen. Der Wirkstoff wird von Roche Pharma vermarktet.
Nutzenbewertung
Der Zusatznutzen einer Therapie mit Atezolizumab wird vom G-BA auf der Basis der vom IQWiG ausgewerteten Studienergebnisse wie folgt eingeordnet:[5]
- Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie mit Docetaxel
- nicht belegter Zusatznutzen gegenüber einer Best Supportive Care
Kosten
Die Jahrestherapiekosten betragen pro Patient rund 100.000 €.[6]
Quellen
- ↑ pharmaphorum: Roche files Tecentriq, Avastin combo therapy; January 27, 2020, abgerufen am 28.1.2020
- ↑ Tokunaga T et al. Fulminant myocarditis during postoperative adjuvant chemotherapy for lung cancer with atezolizumab: a case report. J Med Case Reports 2024
- ↑ 3,0 3,1 Yılmaz A et al. Possible atezolizumab-associated acute kidney injury and immune thrombocytopenia. J Oncol Pharm Pract. 2020 Oct;26(7):1791-1794. doi: 10.1177/1078155220913081. Epub 2020 Apr 1. PMID: 32237958.
- ↑ LiverTox: Clinical and Research Information on Drug-Induced Liver Injury; Bethesda (MD): National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases; 2012, abgerufen am 01.04.2023
- ↑ G-BA: Atezolizumab Beschluss vom 16. März 2018, BAnz AT 16.04.2018 B2
- ↑ IQWiG-Berichte – Nr. 576 Atezolizumab (nicht kleinzelliges Lungenkarzinom) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V, abgerufen am 20.8.2018