Zytotoxisches Ödem
Definition
Das zytotoxische Ödem ist eine Form des Hirnödems, bei der es infolge einer gestörten Ionenhomöostase zu einer intrazellulären Flüssigkeitsansammlung kommt. Es handelt sich um die früheste Form der Ödembildung im Rahmen akuter Hirnschädigungen.
Pathophysiologie
Charakteristisch ist die Schwellung von Neuronen, Astrozyten und Endothelzellen, ohne dass zunächst eine Störung der Blut-Hirn-Schranke vorliegt. Ursächlich hierfür ist ein Energieversagen infolge mangelnder Sauerstoff- oder Glukosezufuhr (z.B. durch zerebrale Ischämie, Hypoxie oder Intoxikation). Der Ausfall der ATP-abhängigen Na⁺/K⁺-ATPase führt zu einem intrazellulären Natrium- und Kalziumeinstrom, sodass durch Osmose die Flüssigkeit innerhalb der Zellen akkumuliert.
Die Blut-Hirn-Schranke bleibt in der Frühphase intakt. Die zunehmende Zellschwellung verringert den extrazellulären Raum und erhöht den intrakraniellen Druck. Neben der reinen Volumenzunahme tragen sekundäre Mechanismen wie Laktatanstieg, Azidose und die Aktivierung proteolytischer Enzyme zur Zellschädigung (Nekrose) bei. Das zytotoxische Ödem markiert somit den Übergang zwischen reversibler und irreversibler Ischämie.
Bildgebung
In der Magnetresonanztomographie zeigt sich das zytotoxische Ödem als hyperintenses Signal in der diffusionsgewichteten Sequenz (DWI) bei gleichzeitig erniedrigtem apparenten Diffusionskoeffizienten (ADC). Diese Signalveränderung reflektiert die eingeschränkte Diffusionsbeweglichkeit von Wasser infolge der Zellschwellung und gilt als frühestes und sensibelstes Zeichen einer akuten Ischämie. Im CT ist das Ödem dagegen meist nur indirekt durch eine unscharfe Mark-Rinden-Grenze oder eine Volumenvermehrung des betroffenen Areals erkennbar.
Klinische Bedeutung
Das Auftreten eines zytotoxischen Ödems zeigt eine frühe neuronale Dysfunktion an und hat prognostische Relevanz. Wird die Perfusion rechtzeitig wiederhergestellt, ist die Zellschwellung vollständig reversibel.
Persistiert die Ischämie, kommt es zur Membrandestruktion, zur Freisetzung von Mediatoren und sekundär zur Öffnung der Blut-Hirn-Schranke und damit zum Übergang in ein vasogenes Ödem. Dieser Prozess spielt eine zentrale Rolle bei der Pathogenese des ischämischen Hirninfarkts. Weiterhin tritt er bei traumatischen Hirnschädigungen und metabolischen Enzephalopathien auf.
Abgrenzung
Während beim zytotoxischen Ödem die Flüssigkeit intrazellulär eingelagert bleibt und die Schranke intakt ist, liegt beim vasogenen Ödem eine extrazelluläre Flüssigkeitsansammlung infolge einer gestörten Schrankenfunktion vor. Beide Mechanismen können im Verlauf nebeneinander bestehen, wobei das zytotoxische Ödem typischerweise die initiale Phase der Schädigung darstellt.
Literatur
- Liang D, Bhatta S, Gerzanich V, Simard JM. Cytotoxic edema: mechanisms of pathological cell swelling. Neurosurg Focus. 2007;22(5):E2. Published 2007 May 15. doi:10.3171/foc.2007.22.5.3
- Balami JS, Chen RL, Grunwald IQ, Buchan AM. Neurological complications of acute ischaemic stroke. Lancet Neurol. 2011;10(4):357-371. doi:10.1016/S1474-4422(10)70313-6
- Sevick RJ, Kanda F, Mintorovitch J, et al. Cytotoxic brain edema: assessment with diffusion-weighted MR imaging. Radiology. 1992;185(3):687-690. doi:10.1148/radiology.185.3.1438745