Vertikale Blickparese
Synonym: vertikale Blicklähmung
Englisch: vertical gaze palsy
Definition
Als vertikale Blickparese bezeichnet man eine Augenbewegungsstörung, bei der eine Unfähigkeit zur Ausführung vertikaler Blickbewegungen vorliegt.
Epidemiologie
Es handelt sich um eine eher seltene Augenbewegungsstörung. Epidemiologische Daten liegen derzeit (2025) nicht vor.
Einordnung
Die Kombination einer vertikalen Blickparese mit einer lichtstarren Pupille mit Licht-Nah-Dissoziation, einem Konvergenz-Retraktions-Nystagmus und weiteren fakultativen Symptomen wird als Parinaud-Syndrom bezeichnet.[1][2][3][4]
Eine bilaterale Blickparese nach oben, kombiniert mit einer unilateralen Blickparese nach unten, sowie die umgekehrte Konstellation nennt man vertikales Eineinhalb-Syndrom.[5][6]
Pathophysiologie
Vertikale Augenbewegungen werden primär durch die präokulomotorischen Kerngebiete der rostralen mesenzephalen Formatio reticularis (rmFR), vor allem durch den Nucleus interstitialis rostralis fasciculi longitudinalis medialis (riMLF) und den Nucleus interstitialis Cajal (INC), gesteuert.[6][8] Wichtige efferente Bahnen verlaufen dabei unter anderem über die Commissura posterior.[6][8]
Eine vertikale Blickparese entsteht dementsprechend stets durch eine Läsion des Mesenzephalons unter Beteiligung der oben genannten Strukturen.[1][7]
Lähmungen für sakkadische vertikale Augenbewegungen werden dabei vornehmlich Schädigungen des riMLF zugeschrieben. Bei beidseitigen Läsionen dieses Kerngebietes kann ein kombinierter Ausfall der Elevation und Depression resultieren,[1] häufig sind jedoch Elevationssakkaden weiterhin möglich.[6] Der Grund hierfür ist derzeit (2025) noch unklar. Unter anderem wird vermutet, dass Elevationsbewegungen weniger schädigungsanfällig sind, da die Okulomotorius-Subnuklei für Elevationsbewegungen bilateral von den riMLF angesteuert werden.[6]
Eine Parese von Blickhalte- und -folgebewegungen findet sich bei bilateralen Läsionen des INC. Die Geschwindigkeit vertikaler Sakkaden bleibt hierbei erhalten, jedoch zeigt sich ebenfalls eine reduzierte Sakkadenamplitude.[6]
Läsionen der Commissura posterior führen zu einer Beeinträchtigung aller vertikalen Augenbewegungen, insbesondere von Elevationsbewegungen.[6]
Es bestehen jedoch verschiedene Konstellationen vertikaler Blickparesen (z.B. monokulare oder diskonjugierte Defekte wie das vertikale Eineinhalb-Syndrom), deren Entstehung bislang (2025) noch unklar ist.[6]
Klinik
Klinisch zeigt sich ein Unvermögen zur Durchführung der jeweils betroffenen vertikalen Blickbewegung. Betroffene Funktion und Verlauf hängen von der zugrundeliegenden Erkrankung ab. So ist beispielsweise bei einem Hirnstamminfarkt eher mit einer akut einsetzenden Parese zu rechnen, während für eine PSP eine chronisch-progredierende Blickparese zunächst nach unten, später dann auch nach oben typisch ist.[5] Beim Parinaud-Syndrom hingegen findet sich nahezu immer eine Blickparese nach oben.[3]
Aufgrund der engen Nachbarschaft von Hirnstammstrukturen ist eine vertikale Blickparese häufig mit anderen Okulomotorikstörungen (z.B. im Rahmen eines Parinaud-Syndroms) weiteren neurologischen Defiziten vergesellschaftet.[5]
Diagnostik
Die Diagnose wird klinisch durch neurologische Untersuchung gestellt. Neben den üblicherweise geprüften geprüften Blickfolgebewegungen sollte auch eine Prüfung der vertikalen Sakkaden erfolgen. Zudem kann der vertikale vestibulookuläre Reflex geprüft werden. Dieser bleibt bei isolierten vertikalen Blickparesen in aller Regel erhalten. Bei Läsionen des INC kann jedoch auch ein verzögerter vestibulookulärer Ausgleich bei Kopfimpulsprüfung in der Vertikalen auftreten.[6] Auch ist auf weitere okulomotorische Störungen oder Hirnstammzeichen zu achten.
Weitere Diagnostik richtet sich nach der vermuteten Ursache. In jedem Fall sollte eine Bildgebung des Hirnstammes mittels MRT erfolgen.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach der auslösenden Ursache.
Leitlinie
- S1-Leitlinie Augenmotilitätsstörung inkl. Nystagmus der DGN im AWMF-Register, Stand 2021.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., S1-Leitlinie Augenmotilitätsstörung inkl. Nystagmus im AWMF-Register, Stand 2021.
- ↑ 2,0 2,1 Esser, Lang, Augenbewegungsstörungen. In: Lang und Lang (Hrsg.) Augenheilkunde, 7. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2024.
- ↑ 3,0 3,1 Feroze, Patel, Parinaud Syndrome, StatPearls, 2023.
- ↑ Shields et al., Parinaud syndrome: a 25-year (1991–2016) review of 40 consecutive adult cases, Acta Ophthalmologica, 2016.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Grehl, Reinhardt, Neuberger, Konjugierte Blickparese. In: Grehl, Reinhardt (Hrsg.), Checkliste Neurologie, 7. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2021.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6 6,7 6,8 6,9 Bhidayasiri et al., A hypothetical scheme for the brainstem control of vertical gaze, Neurology, 2000.
- ↑ 7,0 7,1 Mattle und Fischer, Störungen der Augenmotorik und Pupillenmotorik. In: Mattle und Fischer (Hrsg.), Kurzlehrbuch Neurologie, 5. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2021.
- ↑ 8,0 8,1 Trepel, Neuroanatomie: Struktur und Funktion, 7. Auflage, S. 146. Elsevier Verlag, München, 2017.