Nucleus interstitialis
nach dem spanischen Mediziner Santiago Felipe Ramón y Cajal (1852-1934)
Synonyme: Cajal-Kern, Nucleus interstitialis Cajal
Englisch: interstitial nucleus
Definition
Der Nucleus interstitialis, kurz INC, beschreibt eine Nervenzellgruppe in der Formatio reticularis des Mittelhirns rostral des Aquaeductus cerebri. Er ist Teil der rostralen mesencephalen Formatio reticularis (rmFR) und gehört damit zum präokulomotorischen Zentrum, das vertikale und torsionelle Augenbewegungen generiert.[1]
Afferenzen und Efferenzen
Der Nucleus interstitialis erhält über Bahnen des Fasciculus longitudinalis medialis Fasern aus den Vestibulariskernen.[2][3] Weitere Afferenzen stammen aus dem Nucleus interstitialis rostralis fasciculi longitudinalis medialis (riMLF).[3]
Seine efferenten Neurone kreuzen in der Commissura posterior auf die Gegenseite und projizieren vor allem in den kontralateralen Nucleus nervi oculomotorii und den Nucleus nervi trochlearis.[1][2] Des Weiteren projizieren sie auf den Nucleus interstitialis der Gegenseite und bilateral zurück in den riMLF.[3]
Funktion
Gemeinsam mit weiteren Kerngebieten der rmFR generiert das Kerngebiet vertikale und torsionelle Augenbewegungen. Hierbei dient der INC vornehmlich Blickhalte- und -folgebewegungen, ist aber zusammen mit der riMLF auch an sakkadischen Augenbewegungen beteiligt.[3]
Klinik
Bei einseitigen Läsionen des INC findet sich eine Ocular-Tilt-Reaktion, bestehend aus einer Kopfneigung nach kontralateral, Skew Deviation (asymmetrische, vertikale Schielstellung) mit ipsilateraler Hypertropie und einer Torsion der Augenoberpole nach kontralateral.[2][3] Zusätzlich findet sich ein dissoziierter (ipsilateral stärkerer), torsioneller (zur Läsionsseite hin) Downbeat-Nystagmus.[3] Auch möglich ist eine vertikale Blickhalteschwäche mit Zurückdriften in die Neutralposition.[3]
Bilaterale Läsionen des INC führen zu einem verminderten Ausmaß aller vertikalen Augenbewegungen. Die Geschwindigkeit von vertikalen Sakkaden bleibt erhalten, jedoch zeigt sich hier ebenfalls eine reduzierte Amplitude.[3] Oft sind diese Bewegungsstörungen begleitet von einem vertikalen Blickfolgenystagmus.[4]
Läsionen des INC oder benachbarter Hirnstammanteile werden außerdem als Ursache des Seesaw-Nystagmus diskutiert.[5][6]
Literatur
- ↑ 1,0 1,1 Trepel: "Neuroanatomie: Struktur und Funktion", 7. Auflage, S. 146. Elsevier Verlag, München, 2017
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Yu M, Wang SM.: "Neuroanatomy, Interstitial Nucleus of Cajal" In: "StatPearls". Treasure Island, 2023.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Bhidayasiri et al., A hypothetical scheme for the brainstem control of vertical gaze, Neurology, 2000.
- ↑ Strupp, Nystagmus – Schritt für Schritt. In: Neurologie up2date, Thieme Verlag, 2018.
- ↑ Strupp, Straumann, Helmchen, Erworbener Nystagmus und sakkadische Intrusionen. eMedpedia, Springer Verlag, 2023. Aufgerufen am 19.06.2025.
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Neurologie, S1-Leitlinie Augenmotilitätsstörungen inklusive Nystagmus im AWMF-Register, 2021.