von lateinisch: tibia - Schienbein, anterior - vordere(r)
Englisch: anterior tibial syndrome
Das Tibialis-anterior-Syndrom ist ein Kompartmentsyndrom im Bereich der Extensorenloge am Unterschenkel. Es ist mit einem Anteil von etwa 75% das häufigste Engpasssyndrom der unteren Extremität.
Die Ursache eines Tibialis-anterior-Syndrom ist ein Druckanstieg in der Extensorenloge zwischen Tibia und Fibula. Ursachen für den Druckanstieg können sein:
In der Extensorenloge am Unterschenkel liegt die prätibiale Muskulatur (Unterschenkelextensoren), die von einer derben Faszie umhüllt sind. Ein Druckanstieg führt erst zur partiellen und bei einem manifesten Kompartmentsyndrom zur totalen Kompression der Arteria tibialis anterior. In der Folge kommt es zur Ischämie, die nach wenigen Stunden Dauer eine irreversible Gewebeschädigung von Muskeln und Nerven nach sich zieht. Die neurologischen Symptome des Tibialis-anterior-Syndroms entstehen insbesondere durch Läsion des Nervus peroneus profundus, eines Astes des Nervus peroneus communis.
Wie bei anderen Kompartmentsyndromen sind die Leitsymptome:
Weiterhin zeigen sich neurologische Symptome durch Läsion des Nervus peroneus profundus: Hyp- oder Parästhesien am Fußrücken zeigen sich insbesondere im ersten Interdigitalraum der Zehen (Autonomgebiet des Nervens). Weiterhin kommt es zur Zehenheberschwäche. Aufgrund von Muskelkontrakturen kommt es meist nicht zum Steppergang, im Verlauf sind jedoch Zehendeformationen möglich.
Das Tibialis-anterior-Syndrom ist meist eine klinische Diagnose. Sie kann durch eine intrakompartmentale Druckmessung mit Hilfe eines Drucksensors gesichert werden. Bei nicht palpablen Pulsen kann die Durchblutung mittels Dopplersonographie überprüft werden.
Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad und der Ursache. Bei leichtem Verlauf dient Kühlen und leichtes Anheben der Extremität der Druckentlastung. Jedoch darf die Extremität aufgrund einer drohenden Verschlechterung der Durchblutung nicht hochgelagert werden. Komprimierende Verbände müssen entfernt werden.
Bei einem manifesten Kompartmentsyndrom muss die Perfusion innerhalb der ersten sechs Stunden chirurgisch durch Gewebe- und Faszienspaltung (Dermatofasziotomie) wiederhergestellt werden.
Nach einer operativen Reperfusion kann 6 bis 12 Stunden später aufgrund einer erhöhten Kapillarpermeabilität ein Rebound-Kompartmentsyndrom auftreten.
Tags: Kompartmentsyndrom
Fachgebiete: Allgemeine Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie
Diese Seite wurde zuletzt am 18. September 2021 um 07:39 Uhr bearbeitet.
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