Spitzwegerich
Synonyme: Heilwegerich, Wundwegerich, Spießkraut, Lungenblattl, Schlangenzunge
Englisch: ribwort plantain, narrowleaf plantain
Definition
Der Spitzwegerich, botanisch als Plantago lanceolata bezeichnet, ist eine Arzneipflanze aus der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Sie wird zur Phytotherapie von Atemwegserkrankungen eingesetzt.
Geschichte
Bereits in der Antike erfreuten sich die Wegerich-Arten großer Beliebtheit. Dioskurides empfahl die adstringierend wirkenden Wegerich-Arten bei Blutungen und Wunden, eine Anwendung, die bis heute Bestand hat. Auch bei Tierbissen und -stichen wurden die Pflanzen eingesetzt. So verwendeten die Ojibwa-Indianer Nordamerikas beispielsweise zerhackte Blätter und Wurzeln der Pflanze zur Behandlung von Schlangenbissen. Auch bei der Entfernung von Holzsplittern oder Fremdkörpern in der Haut griff man auf Spitzwegerich zurück. Im bayerischen Allgäu zeigt sich dies im volkstümlichen Namen "Tribus" (Treibaus).
Wegerich-Arten genossen hohes Ansehen und wurden bei vielen Erkrankungen eingesetzt. Im "Herbarius" des Pseudo-Apuleius, einem im Mittelalter entstandenen Werk, wird die "herba plantago" an erster Stelle der 130 genannten Heilpflanzen aufgeführt. Die Anwendungsmöglichkeiten reichten von der Behandlung von Kopfschmerzen bis hin zu Miktionsbeschwerden. In einem angelsächsischen Kräutersegen aus dem 11. Jahrhundert wird der Wegerich direkt nach dem Beifuß, der "Mutter aller Kräuter", erwähnt.
Botanik
Der Spitzwegerich ist in allen gemäßigten Klimazonen weltweit verbreitet und wächst bevorzugt auf Wiesen und Weiden sowie an Ruderalstandorten wie Wegrändern und Schutthaufen. Die lang-lanzettlichen, parallelnervigen Blätter bilden eine grundständige Rosette und erreichen eine Länge von etwa 20 cm. Im Vergleich zu den Blättern des Breitwegerichs sind sie teilweise aufgerichtet. Die kleinen Blüten sind in dichten, walzenförmigen Ähren angeordnet, die an langen, gefurchten Blütenschäften über den Blättern emporragen. Die Blüten öffnen sich von unten nach oben, was an den gelblichweißen Staubblättern, die aus den Blütenkronen hervorragen, deutlich erkennbar ist. Die Blütezeit erstreckt sich von Mai bis September.
Etymologie
Der Gattungsname Plantago, abgeleitet vom lateinischen "planta" (Fußsohle, Fußfläche) mit dem für Pflanzen häufigen Suffix 'ago', bezieht sich auf die flachen, eiförmigen Blätter des Breitwegerichs (Plantago major), die in Rosetten dicht am Boden liegen. Zusätzlich deutet der Name darauf hin, dass der Wegerich oft an Wegen wächst und dort niedergetreten wird. Dieses häufige Vorkommen entlang von Wegen gab ihm auch den deutschen Namen "Wegerich".
Die lang-lanzettlichen, charakteristisch parallelnervigen Blätter des Spitzwegerichs (Plantago lanceolata) haben ihm das Artepitheton "lanceolata" eingebracht, abgeleitet von "lanceola", was im Lateinischen "kleine Lanze" bedeutet.
Wirkstoffe/Inhaltsstoffe
Phytotherapeutisch werden insbesondere die Blätter und Blütenschäfte des Spitzwegerichs genutzt, entweder in ganzer Form oder zerkleinert. Die Droge ist bekannt als Spitzwegerichblätter (Plantaginis lanceolatae folium Ph. Eur.). Die Handelsdroge stammt überwiegend aus kontrollierten Kulturen osteuropäischer Länder wie Polen, Rumänien und Bulgarien. Ein kleinerer Anteil wird in den Niederlanden kultiviert. Die Spitzwegerichblätter enthalten nach dem Ph. Eur. mindestens 1,5 % o-Dihydroxyzimtsäurederivate. Zu den weiteren wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen zählen 2–3 % Iridoidglykoside, wobei Aucubin und Catalpol die Hauptverbindungen sind, gefolgt von Asperulosid und Globularin. Darüber hinaus finden sich 3–8 % Phenylethanoide, zu denen auch Acteosid gehört. Die Blätter enthalten zudem 2–6 % Schleimstoffe, Gerbstoffe, Flavonoide und Kaffeesäurederivate.
Medizinische Bedeutung
Wirkung
Die Spitzwegerichblätter zeichnen sich durch die reizlindernde Wirkung der Schleimstoffe und die adstringierende Wirkung der Gerbstoffe aus. Die enthaltenen Iridoide haben antibakterielle Eigenschaften. Außerdem wirken sie entzündungshemmend und fördern die Wundheilung. Es wird auch vermutet, dass sie die Bildung von Interferonen und damit das Immunsystem anregen, wofür es jedoch keine wissenschaftlichen Belege gibt.
Indikationen
Das HMPC hat Spitzwegerichblätter als traditionelles pflanzliches Arzneimittel gemäß § 39a AMG eingestuft. Diese Einstufung basiert auf einer langjährigen Anwendungserfahrung und unterstützt deren Verwendung zur Linderung von Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum sowie zur Behandlung von trockenem Reizhusten.
Die ESCOP empfiehlt die innerliche Anwendung von Spitzwegerichblättern bei Katarrhen der Luftwege sowie die äußerliche Anwendung zur Behandlung zeitweilig auftretender entzündlicher Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut. Diese Anwendungsgebiete stützen sich auf Erkenntnisse, die aus der langjährigen Anwendung am Menschen gewonnen wurden. Zusätzlich empfiehlt auch die Kommission E die innerliche Anwendung bei Katarrhen der Luftwege und entzündlichen Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut sowie die äußerliche Anwendung bei Entzündungen der Haut.
Anwendungsformen
- geschnittene Spitzwegerichblätter zur Teebereitung
- Trockenextrakte in Saft
- Fluidextrakt in Saft und Tropfen
- Frischpflanzenpresssaft als Saft
Dosierung als Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage.
Teeaufguss: 3 x täglich eine Tasse Spitzwegerichtee trinken; Tagesdosis bei Erwachsenen und Jugendlichen 3 bis 6 g Droge, bei Kindern unter 6 Jahren 2 bis 4 g Droge.
Kontraindikationen
Zur Anwendung von Spitzwegerich in der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor. Von der Anwendung gegen Husten bei Kindern unter 3 Jahren wird abgeraten.
Trivia
Der Spitzwegerich war Arzneipflanze des Jahres 2014.
Literatur
- Teuscher, Eberhard/Ulrike Lindequist/Matthias F. Melzig: Biogene Arzneimittel: Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie, 15.05.2020.
- Wenigmann, Margret: Phytotherapie: Arzneidrogen Phytopharmaka Anwendung, “Elsevier, Urban & Fischer Verlag,” 10.01.2017.
- Schneider, Georg/Karl Hiller: Arzneidrogen, Spektrum Akademischer Verlag, 01.01.1999.
Weblinks
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