Pädophilie
von griechisch: pais - Kind; philia - Freundschaft
Englisch: Pedophilia
Definition
Bei der Pädophilie handelt es sich um eine Störung der Sexualpräferenz (Paraphilie), bei der sich das sexuelle Interesse auf Kinder im präpubertären Alter konzentriert. Es handelt sich um eine psychische Störung, wenn die Paraphilie dauerhaft besteht, ausgelebt wird oder der Betroffene darunter psychisch leidet.
Der Begriff Pädosexualität wird gelegentlich synonym zum Begriff der Pädophilie verwandt, entspricht in seiner Definition jedoch dem ausgelebten Sexualkontakt zu Kindern. Im juristischen Sinne liegt bei Pädosexualität der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern vor.
Epidemiologie
Nach statistischen Hochrechnungen wird von 300.000 pädophil orientierten Männern in Deutschland ausgegangen. Die Mehrheit der diagnostizierten Pädophilen, insbesondere der pädophilen Sexualstraftäter, sind männliche Erwachsene, wenngleich Fälle weiblicher Pädophilie bekannt sind.
Ursachen
Der Entstehung einer pädophilen Paraphilie liegen vermutlich verschiedene biologische und psychosoziale Ursachen zugrunde. Eine pathologische Abweichung des limbischen Systems wird diskutiert und ist Gegenstand der aktuellen Grundlagenforschung. In der Biographie vieler pädophiler Straftäter finden sich durchlebte Vergewaltigungen als Kind und aufgestaute Aggressionen gegenüber Eltern oder anderen Verwandten aufgrund vergangener Kindesmisshandlungen.
Durch traumatische Missbrauchserlebnisse im Kindesalter entwickelt sich eine Angst vor dem Geschlechtsverkehr mit Erwachsenen. Die psychische Entwicklung wird dahingehend beeinträchtigt, dass sich keine gesunde, erwachsene Psyche entwickeln kann. Psychoanalytisch betrachtet bleibt die Sexualpsyche im Kindesalter zurück, im Verlauf einer Therapie zeigen sich in der Struktur der Psyche von Betroffenen häufig kindliche Züge. Bei fehlendem Bewusstsein über die eigene Störung können pädophile Sexualstraftäter während einer sexuellen Handlung an Kindern der Überzeugung sein, dass das Kind in die Handlung einwilligt.
Durch Phantasien, Beobachtung oder tatsächlichen Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen erlangt der Pädophile eine sexuelle Befriedigung, die ihm durch Sex mit Erwachsenen nicht möglich ist. Oft verspürt er sogar während des Geschlechtsverkehrs mit älteren Personen Schuldgefühle, die psychodynamisch vermutlich auf die komplizierten Verhältnisse zu den eigenen Eltern zurückgeführt werden können. Die im jungen Alter noch verborgene Phantasie entwickelt sich später häufig zur Sucht, was zu kriminellen Delikten führen kann, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden.
Diagnose
Gemäß DSM-IV wird Pädophilie unter 302.2 verschlüsselt. Ein Mindestalter von 16 Jahren sowie eine Altersdifferenz von 5 Jahren zum Objekt des sexuellen Interesses (Kind) wird zur Diagnosestellung vorausgesetzt.
Im Rahmen einer Anamnese und eines psychotherapeutischen Gesprächs kann der Psychiater Auskunft über die Vergangenheit des Erkrankten erlangen. Hier werden die sexuelle Ausrichtung, bisherige sexuelle Betätigung samt Partnerwahl und die möglicherweise an der eigenen Person erlebte Gewalt oder Kindesmisshandlung abgefragt und besprochen.
Sexuelle Handlungen an Kindern genügen nicht als alleiniges Diagnosekriterium der Pädophilie, denn ein Großteil der Täter weisen keine pathologische Sexualpräferenz auf. In diesen Fällen wird die Tat nicht mit der sexuellen Neigung sondern i.d.R. mit der Befriedigung von Machtbedürfnissen in Verbindung gebracht.
Therapie
Voraussetzungen
Dem Erfolg der Therapie sexueller Paraphilien, einschließlich der Pädophilie, wird ein wertfreies Verhalten seitens des Therapeuten vorausgesetzt. Die potentielle Gefährdung Dritter soll nicht vernachlässigt werden, sollte jedoch auch nicht zur Abschreckung oder emotionalen Einengung des Therapeuten führen. Der Leidensdruck von Klienten, die sich präventiv mit ihrer Sexualstörung auseinandersetzen möchten, sollte erkannt werden.
Ziele
Pädophile Denk- und Gefühlsmuster bleiben ein Leben lang bestehen, da sie im Laufe der u.U. pathologisch beeinflussten Entwicklung zu einem wesentlichen Teil der Persönlichkeit geworden sind. Daher erzielt eine Therapie, den geeigneten Umgang mit der Sexualstörung und die sexuelle Orientierung zu erwachsenen Sexualpartnern sowie den Aufbau einer gesunden Sozialstruktur zu trainieren. Der Pädophile soll mit Hilfe verschiedener Therapien wie Verhaltenstherapie, Soziotherapie und Sexualtherapie lernen, seinen sexuellen Trieb nicht mehr auf Kinder zu richten und sich dieser Abnormalität auch bewusst zu werden. Therapeuten empfehlen Risikosituationen (Kinderspielplätze, Kinderbetreuung in Vereinen, TV-Kindersendungen, etc.) zu meiden und bearbeiten mit dem Klienten mögliche Wege in eine Sexualität mit gleichaltrigen Männern oder Frauen sowie die Pflege und Befriedigung nicht-sexueller Bedürfnisse (Freundschaften, soziale Freizeitgestaltung).
Orgasmische Neuorientierung
Hierbei handelt es sich um ein mehrwöchiges Training. Der Klient stimuliert sich zu Bildern von Kindern, masturbiert dann jedoch bis zum Orgasmus zum Bild einer Frau oder, sofern Homosexualität vorliegt, eines gleichaltrigen Mannes. Steht der Orgamus kurz bevor, wird der Klient angehalten, sich ganz auf das Bild der Frau bzw. des Mannes zu konzentrieren. Optional kann bei Bedarf des Klienten ergänzend ein Training zum Umgang mit dem anderen Geschlecht durchgeführt werden.
Masturbatorische Rekonditionierung
Die masturbatorische Rekonditionierung soll einen Wechsel der sexuellen Assoziationen erzeugen. Der Patient erregt sich zu Beginn der Masturbation mit Hilfe devianter Fantasien, dann wechselt er zu nicht-devianten Fantasien. Mit nachlassender Erregung kehrt er zu devianten Fantasien zurück, bis er wieder erregt ist. Dann wechselt er wieder zu nicht-devianten Fantasien. Dieser Wechsel soll solange vollzogen werden, bis er ejakuliert. Die wiederholte Assoziation von nicht-devianten Fantasien mit sexueller Erregung soll zu einer klassischen Konditionierung führen, d.h. der Koppelung nicht-devianter Fantasien mit einer positiven Bewertung.
Pharmakotherapie
Auch medikamentös kann der Sexualtrieb gedämpft werden. Hier eignen sich zum Beispiel Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI, mittel der ersten Wahl) oder hormonelle Antiandrogene wie Cyproteronacetat sowie Triptorelin. Eine Pharmakotherapie sollte in Verbindung mit einer Psychotherapie durchgeführt werden.
SSRI
SSRI sollten aufgrund des günstigeren Nutzen-Risiko-Verhältnisses zunächst hormonellen Arzneistoffen vorgezogen werden. Der Einsatz von SSRI wie beispielsweise Fluoxetin oder Citalopram begründet sich einerseits in der Hemmung der Libido, welche bei diesen Pharmaka als Nebenwirkung auftreten kann, andererseits aber auch in ihrer Wirkung als Antidepressiva (Hebung der Stimmung z.B. bei depressiver Grunderkrankung), denn Missbrauchshandlungen können zumeist mit einer zum Tatzeitpunkt gedrückten Stimmung in Verbindung gebracht werden. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die serotonerge Wirkung von SSRI eine Verbesserung der psychischen Kontrollfähigkeit der Impulse bewirkt.
Literatur
- Ofenstein: Lehrbuch - Heilpraktiker für Psychotherapie, Urban & Fischer, München 2010.
- Benkert & Hippius: Kompendium Psychiatrische Pharmakotherapie, Springer, Heidelberg 2011.
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