Nematodirose (Wiederkäuer)
Synonym: Nematodirus-Infektion beim Wiederkäuer
Definition
Als Nematodirose der Wiederkäuer bezeichnet man eine parasitär bedingte Erkrankung der Wiederkäuer, die durch Nematodirus-Arten verursacht wird.
Erreger
Die Nematodirose der Wiederkäuer kann durch verschiedene Vertreter verursacht werden, u.a. durch:
Adulte Formen
Nematodirus helvetianus
Nematodirus helvetianus besitzt am Vorderende eine längliche bis flaschenförmige Kutikulaauftreibung, die mit Querringeln versehen ist. Die Synlophe ist artverschieden ausgeprägt und mit 18 bis 26 Graten versehen. Der Parasit hat eine quer-ovale Bursa und die Lappen sind mit artspezifisch angeordneten Höckern ausgestattet. Die Dorsalrippe ist von der Basis an gespalten, wobei deutlich erkennbare lange, fadenförmig und distal vereinigte Spicula ausgebildet sind.
Die Männchen sind 11 bis 17 mm lang und tragen 900 bis 1250 μm lange Spicula, die an der Spitze distal verschmolzen ist und zwei kleine seitliche Stacheln trägt. Der Parasit ist von einer lanzettartigen und relativ breiten Membran umhüllt. Die Weibchen sind 18 bis 25 mm lang und an ihrem Hinterende deutlich abgerundet (mit zentralem Stachel).
Nematodirus helvetianus ist vorwiegend im Dünndarm von Rindern lokalisiert.
Nematodirus filicollis
Die Männchen sind 10 bis 15 mm lang und ihre Spicula messen 750 bis 925 μm. Die Spitzen sind von einer schlanken und lanzettförmigen Membran umhüllt. Die Weibchen sind mit 15 - 20 mm etwas größer als die Männchen und am Hinterende deutlich abgerundet. Der dort befindliche Stachel ist zentral ausgebildet.
Die Hauptlokalisatiion von Nematodirus filicollis ist im Dünndarm, v.a. bei Schafen aber auch bei der Ziege und beim Rind.
Nematodirus battus
Die Männchen sind 10 bis 19 mm lang und haben 900 bis 1200 μm lange Spicula. Die vereinten Spitzen sind mit einer herzförmigen Membran umzogen. Die Weibchen sind 15 bis 26 mm lang und haben ein spitz auslaufendes Hinterende. Die Eier im Uterus sind parallelwandig ausgebildet.
Nematodirus battus ist im Dünndarm lokalisiert und kommt vorzugsweise beim Schaf, aber auch beim Rind vor.
Nematodirus spathiger
Die Männchen haben eine Länge von 8 bis 19 mm. Sie tragen 950 μm lange Spicula. Die verschmolzenen Spitzen sind von einer löffelförmigen Membran umhüllt. Die Weibchen sind 12 bis 20 mm lang und haben ein abgerundetes Hinterende mit zentralem Dorn.
Die Lokalisation ist hauptsächlich im Dünndarm, wobei der Parasit beim Schaf, aber auch bei der Ziege und beim Rind angetroffen werden kann.
Eier
Nematodirus spp.-Eier sind Eier vom MDS-Typ (Magen-Darm-Strongyliden). Sie sind 150 bis 200 x 80 bis 120 μm groß, oval und mit einer dicken Schale ausgestattet. Der Inhalt der Eier sind wenige dunkle Blastomere.
Vorkommen
Nematodirus-Arten sind weltweit verbreitet, wobei beim Rind hauptsächlich Nematodirus helvetianus, Nematodirus filicollis und Nematodirus battus eine Relevanz haben. Nematodirus spathiger ist nur gelegentlich anzutreffen.
In gemäßigten Klimazonen spielt Nematodirus battus bei Lämmern eine wichtige Rolle.
Entwicklung
Im Gegensatz zu den übrigen Magen-Darm-Strongyliden, entwickeln sich bei Nematodirus die infektiösen Drittlarven (L3) im Ei. In Mitteleuropa verläuft diese Entwicklung sehr langsam ab und benötigt mindestens zwei Monate. Im Anschluss an die Entwicklung vergeht oftmals noch einige Zeit bevor die Larven letztendlich schlüpfen.
Nematodirus-battus-Larven benötigen vor dem Schlupf eine Kältephase, die im Anschluss von Temperaturen von mindestens 10 °C begleitet sein muss. Solche Wetterbedingungen sind vorwiegend im späten Frühjahr anzutreffen, sodass ein Großteil der Eier - die während der Weidesaison auf das Gras gelangt sind - erst im Folgejahr zum Infektionsrisiko beitragen. Bei Nematodirus battus beträgt die Präpatenz 15 Tage.
Andere Nematodirus-Arten benötigen solche spezielle Bedingungen zur Entwicklung in der Regel nicht. Hier schlüpfen die infektiösen Larven etwa zwei bis drei Monate, nachdem die Eier auf die Weide gelangt sind, weshalb auch oftmals mehr als eine Generation pro Jahr möglich ist. Bei Nematodirus helvetianus beträgt die Präpatenz 20 bis 26 Tage.
Epidemiologie
Kälber und Lämmer können sich zwar über kontaminiertes Heu schon im Stall infizieren, jedoch treten stärkere Infektionen und gelegentlich klinisch auffällige Nematodirosen erst auf der Weide auf.
Ein Befall mit Nematodirus helvetianus ist v.a. bei erst im Hochsommer auf die Weide ausgetriebenen Kälbern zu erwarten. Auf diesen Weiden hat sich bereits eine neue Larvengeneration nach der Kontamination in den ersten Weidewochen entwickelt. Nematodirus battus führt gelegentlich zu Erkrankungen bereits kurz nach dem Austrieb. Da eine lange Entwicklungs- und Überlebenszeit der Larven vorliegt, spielt die Verbreitung bei älteren Tieren eine untergeordnete Rolle. So führen vielmehr die von Lämmern ausgeschiedenen Eier im Folgejahr zu einer Infektion bei Lämmern.
Pathogenese
Bei einer Infektion mit Nematodirus battus werden pathologische Veränderungen vorwiegend durch die Larvenstadien verursacht. Im Zuge der 10 bis 12 Tage andauernde Entwicklung zur 5. Larve (L5) entstehen in den ersten Metern des Dünndarms Schäden am Epithel mit zerstörten Bürstensäumen. Makroskopisch kann eine Verkürzung sowie Verformung der Dünndarmzotten beobachtet werden, die gelegentlich von einer leichten Hyperämie begleitet ist. Als Resultat entsteht eine katarrhalische, nicht-fiebrige Duodenitis und Jejunitis mit temporärem Durchfall. Bei unzureichender Fütterung können diese Veränderungen tödlich enden.
Lämmer, die gleichzeitig an einer Eimeriose leiden, sind klinisch deutlich stärker betroffen als bei einer reinen Nematodirose.
Immunität
Die Eiausscheidung bei Kälbern (im ersten Weidejahr) beginnt aufgrund einer entstehenden Immunität bereits zwei bis drei Monate nach dem Austrieb abzunehmen.
Nach einer ausreichenden Anfangsinfektion äußert sich die Immunität bei Schaflämmern - bei zwei Monaten alten Tieren - durch eine verminderte Wurmbürde (verbunden mit Abgang präadulter und adulter Stadien im Kot). Ältere und gutgenährte Tiere eliminieren die Parasiten innerhalb von 4 Wochen.
Klinik
Kälber, die zum ersten Mal auf die Weide ausgetrieben werden, leiden im 2. oder 3. Weidemonat an wässrigem Durchfall ohne wesentlichen Störungen des Allgemeinbefindens. In den meisten Fällen liegen Mischinfektionen mit Cooperia und Ostertagia vor.
Betroffene Lämmer leiden meist in einer Gruppe an wässriger und nicht-febriler Diarrhö. Der Durchfall beginnt meist im Mai (v.a. durch Nematodirus battus), gelegentlich aber auch später (meist durch Nematodirus filicolllis). Ältere Schafe sind in der Regel nicht betroffen. Erkrankte Lämmer werden rascht matt, exsikkotisch und verenden bei völliger Apptetitlosigkeit innerhalb weniger Tage.
Diagnose
Eine Nematodirose kann mittels Flotationsverfahren nachgewiesen werden. Die Eier sind besonders groß und können v.a. durch ihren Inhalt (wenige Furchungszellen) und ihrer relativ dicken Schale von den Eiern anderer Magen-Darm-Strongyliden unterschieden werden.
Therapie
Reine Nematodirus-Infektionen werden - mit Ausnahme von Nematodirus battus - kaum beobachtet. Persistierende Infektionen können durch die bei Trichostrongyliden wirksamen Anthelmintika therapiert werden, wie z.B. Benzimidazole (z.B. Albendazol) oder makrozyklische Laktone (z.B. Ivermectin).
Literatur
- Boch, Josef, Supperer, Rudolf. Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey Verlag, 2005
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