Morbus Hurler
nach Gertrud Hurler (1889 - 1965), deutsche Kinderärztin
Definition
Der Morbus Hurler ist die schwerste Verlaufsform der lysosomalen Speicherkrankheit Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I).
Epidemiologie
MPS I ist eine seltene Erkrankung. Die Häufigkeit wird auf 1:145.000 Geburten geschätzt. Der M. Hurler ist mit einer Häufigkeit von 1:100.000 die häufigste MPS I Verlaufsform.
Ursache
Dem M. Hurler liegt wie allen MPS I Erkrankungen ein Defekt des Enzyms Alpha-L-Iduronidase zugrunde. Durch den Defekt können Glykosaminoglykane nicht mehr ausreichend gespalten und abgebaut werden. Besonders Dermatansulfat und Heparansulfat akkumulieren dann in den Lysosomen der Zellen, was die Funktion dieser stark beeinträchtigt.
Einteilung
M. Hurler ist die schwerste von drei Verlaufsformen. Leichtere Formen sind der Morbus Hurler-Scheie und der Morbus Scheie. Die Formen entstehen durch verschiedene ursächliche Mutationen im Gen, das für die Alpha-L-Iduronidase codiert.
Symptome
Die Symptome treten bereits im Säuglingsalter auf und sind stark ausgeprägt.
Leitsymptome des M. Hurler sind:
- Kleinwuchs
- Wiederkehrende Otitiden
- Obstruktive und restriktive Atemwegsbeschwerden
- Rezidivierende pulmonale Infekte
- Nabel- und Leistenhernien, auch rezidivierend
- Hüftdysplasie (beidseitig)
- Gibbus
- Gelenkkontrakturen und Gelenksteifigkeit
- Karpaltunnelsyndrom, oft beidseitig und im Kindesalter
- Hornhauttrübung
- Hörverlust
- Vergrößerte Zunge (Makroglossie)
- Schlafapnoe
- Kompression des Rückenmarks im Bereich der oberen Halswirbelsäule (kraniozervikaler Übergang)
- Geistige Retardierung
Aufgrund der Verengung der Atemwege, der verringerten Elastizität des Lungengewebes sowie der vergrößerten Zunge ist die Atmung stark eingeschränkt. Die Hornhauttrübung kann außerdem im Verlauf zu Sehstörungen führen. Zudem sind Patienten sehr anfällig für Mittelohrentzündungen, die aufgrund der Häufung zu einer eingeschränkten Hörfähigkeit führen können. Zusätzlich ist bei Patienten das zentrale Nervensystem betroffen und ohne eine frühzeitige Behandlung mittels Stammzelltransplantation ist die geistige Entwicklung eingeschränkt.
Erscheinungsbild
Patienten mit M. Hurler haben ein für die Krankheit typisches Erscheinungsbild. Sie haben einen kurzen Hals, grobe Gesichtszüge, eine vergrößerte Zunge und eine tiefe Nasenwurzel. Bis zum dritten Lebensjahr wachsen die Patienten meist normal, jedoch wird das Wachstum durch die starken Skelettveränderungen zunehmend eingeschränkt. Häufig werden Patienten mit M. Hurler nicht größer als 1,20 m und weisen durch die Fehlstellungen ein charakteristisches Gangbild auf.
Diagnose
Wenn ein Verdacht auf MPS I besteht, kann ein Bluttest zur Bestimmung der Enzymaktivität der Alpha-L-Iduronidase durchgeführt werden.
Prognose
Im Gegensatz zu Patienten mit M. Scheie haben Patienten mit M. Hurler eine deutlich geringere Lebenserwartung. Nur mit einer rechtzeitigen und adäquaten Therapie können Patienten das frühe Erwachsenenalter erreichen.
Therapie
Bis zum Alter von etwa 2,5 Jahren ist bei Patienten mit M. Hurler die Knochenmark - beziehungsweise die hämatopoetische Stammzelltransplantation (KMT) die Therapie der Wahl. Durch die Transplantation von Knochenmark eines geeigneten Spenders erhält der Patient Blutzellen, die das Enzym Alpha-L-Iduronidase bilden können. Diese Zellen geben einen Teil des gebildeten, intakten Enzyms an die Umgebung ab, welches von anderen Körperzellen aufgenommen und in ihre Lysosomen transportiert werden kann. Dadurch können die gespeicherten Glykosaminoglykane wieder abgebaut werden. Allerdings kann durch die Transplantation nur die kognitive Entwicklung und die Lebenserwartung positiv beeinflusst werden. Die KMT kann die Erkrankung jedoch nicht heilen.
Bei Patienten mit M. Hurler wird häufig vor oder auch nach einer Transplantation zusätzlich eine Enzymersatztherapie eingesetzt. Dabei wird das defekte Enzym durch eine biotechnologisch hergestellte Form des menschlichen Enzyms ersetzt und die pathologische Speicherung von Glykosaminoglykanen kann wieder abgebaut werden. Die Enzymersatztherapie gelangt jedoch aufgrund der Blut-Hirn-Schranke nicht in das ZNS, sodass sie keinen direkten Einfluss auf die kognitiven und motorischen Symptome des M. Hurler nehmen kann. Dies ist derzeit nur mittels frühzeitiger Stammzelltransplantation möglich. Vor der KMT kann die Enzymersatztherapie den Allgemeinzustand der Patienten verbessern. Zusätzlich kann die Enzymersatztherapie die Transplantation unterstützen.
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