Molnupiravir
Synonyme: MK-4482, EIDD-2801
Handelsname: Lagevrio®
Definition
Molnupiravir ist ein Virustatikum, das ursprünglich zur Behandlung von Infektionen durch Influenza- und Coronaviren entwickelt wurde. Aufgrund seiner möglichen Rolle bei der Entstehung neuer Virusvarianten wurde die Zulassung durch die EMA abgelehnt.
Chemie
Molnupiravir ist das Prodrug des synthetischen Nukleosidderivats N4-Hydroxycytidin (NHC). Die Summenformel von Molnupiravir ist C13H19N3O7. Die molare Masse beträgt 329,31 g/mol.
Pharmakokinetik
Molnupiravir ist ein Prodrug, das erst durch Metabolisierung im Organismus zum aktiven Wirkstoff wird. Durch Hydrolyse entsteht N4-Hydroxycytidin (NHC).
Wirkmechanismus
Der aktive Metabolit N4-Hydroxycytidin (NHC) von Molnupiravir wird in die RNA eingebaut und induziert Kopierfehler bei der viralen RNA-Replikation. In der Literatur wird dieser Mechanismus als "Error-Katastrophe" beschrieben.[1][2]
Wirkspektrum
Eine antivirale Wirkung von Molnupiravir konnte bisher vor allem gegen unterschiedliche Coronaviren gezeigt werden. In Zellkulturen von Atemwegsepithelien richtete sich die antivirale Aktivität gegen Influenzaviren und verschiedene Coronaviren, u.a. SARS-CoV, MERS-CoV und SARS-CoV-2.[3]
Klinische Studien
Im Dezember 2020 wurde eine Studie zur Wirkung von Molnupiravir bei COVID-19 an Frettchen veröffentlicht.[4] Dabei zeigte sich eine signifikante Reduktion der Viruslast in den oberen Atemwegen der infizierten Tiere und eine Verhinderung der Virusweitergabe an unbehandelte Tiere mit direktem Kontakt.
Eine randomisierte placebokontrollierte klinische Studie von Molnupiravir bei COVID-19-Patienten (MOVe-out Zulassungstudie) wurde in 82 Ländern mit 1433 Teilnehmern durchgeführt.[5] Molnupiravir konnte die Hospitalisierungs- und Sterberate nach 29 Tagen im Vergleich zum Placebo verringern.
Indikation
Molnupiravir war indiziert zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen, aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung aufweisen. Kriterien dafür sind:[6]
- Adipositas (BMI > 30)
- Alter > 60 Jahre
- COPD
- Diabetes mellitus
- Herzerkrankungen
- akute Krebserkrankung
- chronische Lungenerkrankung
- chronische Niereninsuffizienz
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt vier Kapseln, entsprechend 800 mg, alle 12 Stunden über einen Zeitraum von 5 Tagen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Kontraindikation
Die Anwendung von Molnupiravir während der Schwangerschaft ist kontrainduziert. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Einnahme eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Zur Anwendung in der Stillzeit gibt es keine ausreichende Datenlage, daher sollte das Stillen während der Behandlung mit Molnupiravir unterbrochen werden.
Auch bei einer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der Bestandteile sollte von der Behandlung mit Molnupiravir abgesehen werden.
Zulassung
Molnupiravir wurde am 4.11.2021 in Großbritannien unter dem Handelsnamen Lagevrio® für Personen über 18 Jahren zugelassen.[7] Am 23.12.2021 erteilte die FDA eine Emergency Use Authorization (EUA) für den Einsatz von Molnupiravir.[8] Seit dem 03.01.2022 war Molnupiravir auch in Deutschland verfügbar und wurde direkt über das BMG beschafft und zur Verfügung gestellt.[9] Eine offizielle Zulassung durch die EMA blieb jedoch aus. Am 24.02.2023 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA schließlich, den Zulassungsantrag abzulehnen. Seitdem darf Molnupiravir in der EU nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Am 21. Juni 2023 hat der pharmazeutische Unternehmer Merck Sharp & Dohme B.V. seinen Antrag auf Zulassung auf europäischer Ebene zurückgezogen.
Literatur
- ↑ Toots M, Yoon JJ, Cox RM, et al. Characterization of orally efficacious influenza drug with high resistance barrier in ferrets and human airway epithelia. Sci Transl Med. 2019;11(515)
- ↑ Toots M, Plemper RK. Next-generation direct-acting influenza therapeutics. Transl Res. 2020;220:33-42
- ↑ Sheahan TP, Sims AC, Zhou S, et al. An orally bioavailable broad-spectrum antiviral inhibits SARS-CoV-2 in human airway epithelial cell cultures and multiple coronaviruses in mice. Sci Transl Med. 2020;12(541)
- ↑ Cox, R.M., Wolf, J.D. & Plemper, R.K. Therapeutically administered ribonucleoside analogue MK-4482/EIDD-2801 blocks SARS-CoV-2 transmission in ferrets. Nat Microbiol 6, 11–18 (2021)
- ↑ Bernal et al. Molnupiravir for Oral Treatment of Covid-19 in Nonhospitalized Patients The New England Journal of Medicine, 2021
- ↑ AWMF & STAKOB Stellungnahme zu Molnupiravir, abgerufen am 04.01.2022
- ↑ Merck. Merck and Ridgeback’s Molnupiravir, an Oral COVID-19 Antiviral Medicine, Receives First Authorization in the World. News release
- ↑ FDA News Release - Coronavirus (COVID-19) Update: FDA Authorizes Additional Oral Antiviral for Treatment of COVID-19 in Certain Adults, abgerufen am 04.01.2022
- ↑ BfArM - Informationen zu Lagevrio (Molnupiravir), abgerufen am 04.01.2022
Quellen
- BfArM - Lagevrio - Art. 5(3) Informationen für Angehörige der medizinischen Fachkreise, abgerufen am 04.01.2022