Kornrade
Synonyme: Agrostemma githago, Korn-Rade, Lychnis githago
Englisch: common corn-cockle
Definition
Die Kornrade, botanisch als Agrostemma githago bezeichnet, ist eine Pflanzenart der Nelkengewächse (Caryophyllaceae) und besitzt Bedeutung als Zier- und Giftpflanze.
Merkmale
Die Kornrade ist eine einjährige, krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen zwischen 0,5 und 1,0 Meter. Die Pflanze ist grau-filzig behaart, besonders der Grund der Blätter trägt lange Blätter. Die Blätter sind gegenständig angeordnet und linealisch. Die Blütezeit erstreckt sich insbesondere über die Monate Juni und Juli. Die Blüte weist eine fünfzählige, am Grund röhrige Krone auf. Die Blütenkrone ist trüb-purpurfarben und wird deutlich von den Zipfeln des Blütenkelches überragt. Eine Nebenkrone wird nicht ausgebildet. Es sind drei bis fünf Griffel vorhanden. Die Kelchröhre besitzt erhabene Längsrippen.
Die Bestäubung erfolgt durch Insekten (z.B. Schmetterlinge) oder Selbstbestäubung. Der Fruchtstand ist eine harte Kapsel, die sich bei Reife mit vier oder fünf Zähnen öffnet. Die, kurzlebigen Samen werden durch Schütteln der reifen Samenstände, etwa im Wind, und durch den Menschen ausgebreitet.
Die Samen der Kornrade sind rundlich bis nierenförmig, dunkelbraun bis schwärzlich gefärbt und weisen eine höckerig gestreifte Oberfläche auf. Ihre Epidermis besitzt dickwandige, unregelmäßig vorgewölbten Kutikularwarzen. Sie enthalten neben Stärke auch einen relevanten Anteil an toxischen Inhaltsstoffen und stellen eine Gefahr dar, wenn sie als Beimengungen in die Ernte anderer Samen gelangen. So kann es zu Verunreinigungen von Schwarzkümmel mit Kornrade kommen. Schwarzkümmelsamen (Semen Nigellae) sind ei- oder keilförmig, drei bis vierkantig, matt-tiefscharz und mit feinkörniger, netzartiger Oberfläche.
Vorkommen
Agrostemma githago stammt aus Eurasien und ist als Archäophyt in Deutschland verbreitet. Während die Art früher als lästiges Ackerunkraut galt und in allen Bundesländern verbreitet war, ist sie inzwischen selten, die Bestände sind rückläufig. Dies ist unter anderem auf den Einsatz von Herbiziden zurückzuführen. Allerdings nehmen die Bestände regional durch Ansalbung wieder zu. Zudem ist die Kornrade Bestandteil einiger Wildblumenmischungen. In Nordamerika wurde die Art als Neophyt eingeführt. Standorte sind nährstoffreichere Äcker (v.a. Wintergetreide), Ruderalflächen, Wegränder oder Böschungen und zeichnen sich durch relative Trockenheit bis mäßige Feuchte sowie eine hohe Lichtausbeute aus.
Verwendung
Die Anwendung als Arzneipflanze ist obsolet aufgrund der Toxizität. Historisch bedeutsam ist die Nutzung als Heilpflanze bei verschiedenen Erkrankungen, darunter Gastritis, Husten, Würmer, Geschwüre, Fisteln oder Hämorrhagien. Im Rahmen der Homöopathie finden die reifen, getrockneten Samen auch heute noch Anwendung.
Toxikologie
Die gesamte Pflanze wirkt toxisch, insbesondere die Samen. Als Letaldosis (Mensch) werden etwa 3 bis 4 Gramm der Samen angegeben. Pharmakologisch relevant sind insbesondere Steroidglykoside und Saponine wie Githagin (Aglykon: Githagenin) und Githagosid (Gypsogenin 3-O-rhamnosylglucuronid), ferner ist Agrostemmasäure enthalten. Mit 6 bis 7 Prozent erreichen die reifen Samen den höchsten Toxingehalt. Darüber hinaus wurden mehrere Proteine mit Ribosom-inaktivierenden Eigenschaften (Agrostine) isoliert. Zytotoxische Effekte, die an gastrointestinalen Symptomen beteiligt sind, könnten auf einen Synergismus von Agrostinen und Saponinen beruhen.
Der Verzehr von Pflanzenteilen kann zu einer Intoxikation führen. Symptome beim Menschen sind:
- lokale Wirkung (Gastrointestinaltrakt):
- systemische Effekte nach Resorption:
- Tränenfluss
- Krämpfe
- zentralnervöse Störungen (Kopfschmerz, Benommenheit, Vertigo, Atemlähmung)
- Schädigung des Myokard
- Hämolyse
- Schock
Die in der Literatur beschriebene, relativ hohe Toxizität könnte durch eine Schädigung der Darmschleimhaut und infolge dessen erhöhte Toxinresorption erklärt werden. Die Angaben zur Humantoxikologie stammen weitgehend aus älteren Quellen und sind kritisch zu werten, Originalpublikationen liegen in diesem Zusammenhang nicht vor. Es ist nicht auszuschließen, dass in früheren Jahrhunderten beobachtete Vergiftungen durch Brotgetreide auf andere Verunreinigungen zurückzuführen sind, etwa auf Mutterkorn (Claviceps purpurea).[1]
Therapie der Vergiftung
Maßnahmen bei Vergiftung durch Kornrade sind resorptionsmindernde Mittel (Carbo medicinalis, ggf. Magenspülung und Natriumsulfat). Darüber hinaus erfolgt symptomatische Therapie, etwa Plasmaexpander bei Schock oder antikonvulsive Therapie bei Auftreten von Krämpfen.
Veterinärtoxikologie
Kornrade ist unter anderem toxisch für Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Hunde, Kaninchen und Geflügel, insbesondere jeweils für Jungtiere. Es wurden chronische und akute Verläufe beschrieben.
Bei Rindern wurden unter anderem Fressunlust, Schluckstörungen, Hypersalivation, Aussetzen des Wiederkäuens, Emesis, Koliken, Hypothermie, Lähmungen und Herzinsuffizienz dokumentiert. Die pathologische Untersuchung (Sektion, Histologie) zeigte Gastroenteritis, Hämolyse und Nekrosen in Leber, Lungen und Milz. Bei Geflügel wurden starke Hämorrhagien (Organe, Schleimhäute) festgestellt.
Für Schweine wird für die Samen eine Letaldosis von 2 bis 5 g/kgKG, für Rinder 2,5 bis 5 g/kgKG angegeben. Hühner sind weniger empfindlich, die Letaldosis (Samen) beträgt etwa 80 g/kgKG.
Die Therapie erfolgt auch hierbei symptomatisch. Das Futter sollte bei Verdacht auf toxische Verunreinigungen umgehend gewechselt werden.
Einzelnachweise
Literatur
- Jäger et al.: Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland; Gefäßpflanzen: Grundband, Bd. 2. Aufl. 20, Spektrum akadem. Verlag.
- Roth, Daunderer & Kormann: Giftpflanze - Pflanzengifte, Nikol Verl., 5. Aufl.
- Mutschler et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen, WVG, 9. Aufl.
- Brandt, Gilg & Schürhoff: Lehrbuch der Pharmakognosie, Verl. J. Springer, 1927, 4. Aufl.
- Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie: CliniPharm - CliniTox (vetpharm.uzh.ch; Stand: 28. Juni 2020)