Kippfenstersyndrom (Katze)
Synonym: Kippfenster-Syndrom
Definition
Als Kippfenstersyndrom bezeichnet man sämtliche Komplikationen, die nach einem Kompressionstrauma bei der Katze entstehen und zu irreversiblen Myopathien sowie Neuropathien führen können.
Vorkommen
Das Kippfenstersyndrom kommt bei Katzen häufig vor. Die Fälle häufen sich insbesondere in der wärmeren Jahreszeit (v.a. im Frühling und Sommer).
Ätiologie
Das Kippfenstersyndrom ist die Folge, wenn eine Katze versucht, durch ein gekipptes Fenster zu gelangen. Beim Versuch das Fenster zu überwinden bleiben die Katzen meistens zwischen dem kaudalen Rippenbogen und dem Beckeneingang hängen, ohne sich befreien zu können.
Pathogenese
Da betroffene Katzen im gekippten Fenster hängen bleiben, kommt es zu einer Quetschverletzung der eingeklemmten Weichteile und infolge dessen zu einer ischämischen Neuromyopathie.
Der durch die Ischämie verursachte Schaden hängt in erster Linie von der Zeitspanne ab, in der die Katze im Fenster eingeklemmt ist. Zusätzlich führen heftige Befreiungsversuche zu weiteren Verletzungen im gequetschten Körperareal. Durch die Befreiungsversuche kommt es häufig zu schwerwiegenden Weichteilschäden und oftmals auch zu Frakturen der Lendenwirbelsäule.
Die am meisten gefürchtete Komplikation ist die ischämische oder direkt traumatische Schädigung der Nieren. Deutlich weniger dramatisch sind retroperitoneale Hämatome sowie traumatisch bedingte Verletzungen der Harnblasenmuskulatur bzw. Darmschlingen.
Klinik
Betroffene Katzen leiden an einer akuten Paraparese bis Paraplegie, herabgesetzter oder fehlender Propriozeption sowie reduzierten spinalen Reflexen an den Hintergliedmaßen. Der Patellarsehnenreflex ist oftmals komplett aufgehoben.
Häufig kann zusätzlich eine spinale Hyperästhesie mit eventuell sichtbaren Verletzungen an der Kompressionsstelle vorgefunden werden. Abhängig von der Dauer und Schwere der Verletzung sind parallel schwere Schocksymptome ausgebildet.
Diagnose
Die Diagnose wird häufig bereits anhand des typischen Vorberichts (in Kippfenster eingeklemmt vorgefunden) gestellt.
Neben einer gründlichen klinischen sowie orthopädisch-neurologischen Untersuchung sind bildgebende Verfahren (Röntgen sowie CT bzw. MRT) notwendig, um das Ausmaß der Verletzung feststellen zu können. Aufgrund der Gefahr eines Reperfusionssyndroms sowie massiver metabolischen Entgleisung ist eine umfangreiche hämatologische sowie serologische Untersuchung inkl. Blutgasanalyse indiziert.
Therapie
Die Akuttherapie ist ähnlich einem Rückenmarkstrauma durchzuführen. Nach der Stabilisierung der Katze sind initial Kortikosteroide (Methylprednisolon einmalig 30 mg/kgKG i.v.) zu verabreichen.
Abhängig von der Schwere der Symptome ist eine mindestens 6 Wochen andauernde Boxenruhe einzuhalten. Parallel dazu ist für eine ausreichende Analgesie zu sorgen. Bei fehlendem eigenständigem Harnabsatz muss die Harnblase mehrmals täglich manuell entleert werden. Zusätzlich ist früh mit intensiver Physiotherapie zu starten. Chirurgische Maßnahmen sind nur selten notwendig.
Prognose
Die Prognose ist vorsichtig bis gut - abhängig von den klinischen Symptomen und den neurologischen sowie nephrologischen Defiziten. Die Rekonvaleszenz kann Wochen bis Monate andauern.
Literatur
- Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2019. Krankheiten der Katze. 6., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-241649-9