Gadobensäure
Synonyme: Gadobenat-Dimeglumin, Acidum gadobenicum, Gd-BOPTA u.a.
Handelsname: MultiHance®
Englisch: gadobenic acid
Definition
Gadobensäure, kurz Gd-BOPTA, ist ein paramagnetisches, gadoliniumhaltiges Kontrastmittel und kommt im Rahmen der Bildgebung mit der Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz.
Hintergrund
Gadobensäure zählt zu den linearen, ionischen gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln mit partiell hepatobiliärer Ausscheidung und erhöhter Relaxivität infolge reversibler Albuminbindung. Es zählt strukturell zu den linearen extrazellulären Mitteln, pharmakologisch jedoch zu den dual eliminierten (renal und biliär) Gadoliniumkomplexen. Im Gegensatz zu rein extrazellulären Präparaten weist Gd-BOPTA daher ein kombiniertes Verhalten auf: Es verteilt sich zunächst im interstitiellen Raum, wird aber zu einem geringen Teil aktiv in Hepatozyten aufgenommen und über die Galle ausgeschieden.
Chemie
Der Ligand BOPTA (N,N-bis(2-hydroxybenzyl)ethylenediamin-N,N′-diacetat) bildet mit Gd³⁺ einen linearen, ionischen Komplex. Die chemische Stabilität ist höher als bei Gadodiamid (Gd-DTPA-BMA), aber niedriger als bei makrozyklischen Komplexen. Gd-BOPTA wird in Lösung als Dimeglumin-Salz (Gadobenat-Dimeglumin) formuliert. Ein zentraler physikalischer Vorteil ist die reversible Albuminbindung von ca. 4-5 % der Moleküle. Diese Interaktion bewirkt eine
- Verdopplung bis Verdreifachung der Relaxivität (r₁ ≈ 6–9 L·mmol⁻¹·s⁻¹ bei 1,5 T),
- verlängerte intravaskuläre Verweildauer und
- intensivere T1-Signalverstärkung bei niedriger Dosis.
Pharmakokinetik
Nach intravenöser Injektion verteilt sich Gd-BOPTA rasch im Extrazellularraum. Etwa 94 % werden renal ausgeschieden, 3–5 % über die Leber. Betrachtet man die kumulative hepatische Aufnahme und biliäre Ausscheidung über die Zeit, kann bei normaler Leberfunktion der gesamte hepatische Eliminationsanteil bis zu etwa 20-25 % der applizierten Dosis betragen. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei ca. 1,5 Stunden. Bei Leberfunktionsstörungen verschiebt sich der Eliminationsweg zugunsten der renalen Clearance. Die hepatozelluläre Aufnahme erfolgt über OATP1B1/1B3-Transporter an der sinusoidalen Membran. Die Exkretion in die Galle erfolgt über MRP2 ("multidrug resistance-associated protein 2").
Indikationen
Gd-BOPTA ist ein bewährtes Mittel zur leberspezifischen MRT. Die diagnostische Stärke liegt in der Charakterisierung fokaler Leberläsionen:
- Unterscheidung zwischen fokaler nodulärer Hyperplasie (FNH) und hepatozellulärem Adenom
- Detektion und Charakterisierung von Lebermetastasen
- Beurteilung der Leberperfusion und -funktion
In der hepatobiliären Spätphase (60–120 Minuten nach Injektion) reichert sich das Mittel in funktionstüchtigen Hepatozyten an. FNH-Läsionen zeigen eine Hyperintensität, während Metastasen, Zysten und Adenome hypointens bleiben.
Gd-BOPTA kann auch nicht-hepatobiliäre Anwendungen verwendet werden, insbesondere für die MR-Angiographie und für onkologische Anwendungen – wobei hier makrozyklische Kontrastmittel bevorzugt werden.
Die Zulassung außerhalb hepatobiliärer Anwendungen wurde seitens der EMA 2018 aufgehoben.
Applikationsform
Das Arzneimittel wird als Injektionslösung appliziert.
Nebenwirkungen
Gd-BOPTA gilt trotz Linearität als vergleichsweise stabil. Akute Nebenwirkungen (Übelkeit, Wärmegefühl, Urtikaria, Kopfschmerz) treten in < 1 % der Anwendungen auf. Eine nephrogene systemische Fibrose (NSF) wurde vereinzelt bei schwerer Niereninsuffizienz berichtet, jedoch seltener als bei Gadodiamid oder Gadoversetamid. Hinsichtlich der Gadolinium-Retention zeigen histochemische Studien eine geringfügige Ablagerung in Knochen und Gehirn nach Mehrfachgaben; das Ausmaß ist geringer als bei Gadodiamid, aber höher als bei makrozyklischen Präparaten. Klinische Konsequenzen sind bisher nicht belegt.
siehe auch: Gadolinium-Ablagerungskrankheit