Fettmobilisationssyndrom (Wiederkäuer)
Synonyme: Lipomobilisationssyndrom, Hyperlipomobilisationssyndrom, HLMS, Fettlebersyndrom
Englisch: fat cow syndrome
Definition
Als Fettmobilisationssyndrom bzw. Hyperlipomobilisationssyndrom bezeichnet man eine sich selbst unterhaltende und verstärkende Störung im Bereich des Energiestoffwechsels mit daraus resultierender Leberverfettung beim Wiederkäuer.
Ätiologie
Aufgrund einer Energieunterversorgung - bedingt durch eine schlechte Futteraufnahme sowie Futterverwertung - kommt es zu einer gesteigerten Mobilisation von Körperfett.
Epidemiologie
Das Fettmobilisationssyndrom tritt besonders bei ante partum verfetteten Kühen auf. Erkrankungen entwickeln sich gehäuft in der Intensivhaltung mit fehlerhaften Haltungsbedingungen:
- keine leistungsorientierte Fütterung
- falsches Trockenstellen
- mangelnde Kontrolle der Ketonkörper
- mangelhaftes Futter
Pathogenese
Kühe, die kurz vor der Geburt deutlich verfettet (adipös) sind, leiden gehäuft an Schwergeburten und den damit zusammenhängenden Komplikationen (z.B. akute puerperale Metritis u.ä.). Gleichzeitig brauchen betroffene Kühe post partum deutlich länger, bis sie die Phase der negativen Energiebilanz überwunden haben. In dieser Zeit liegt ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch vor, da aufgrund der einsetzenden Laktation und der schlechten Futterverwertung mehr Energie verbraucht als aufgenommen wird.
In weiterer Folge kommt es zur Ketose, einem Anstieg der freien Fettsäuren und einer sich daraus entwickelnden metabolischen Azidose. Durch die kompensatorische Lipomobilisation lagern sich vermehrt Triglyceride in der Leber ab, weshalb sich das klinische Bild einer Fettleber (Steatosis hepatis) entwickelt. Aufgrund verminderter Clearance kommt es zur Akkumulation von Giftstoffen und daraus folgender Immunsuppression (prädisponierend für Sekundärinfektionen) sowie Intoxikation (Coma hepaticum).
Klinik
Das Fettmobilisationssyndrom geht mit typischen Symptomen einher:
- sichtbar verfettete Kühe
- Inappetenz bis Anorexie
- Ketonurie
- große Gewichtsverluste binnen kurzer Zeit
- Mattigkeit bis Apathie (Leberkoma)
- Festliegen (therapieresistent bei Kalziumsubstitution)
Diagnose
Neben einer ausführlichen Anamnese sind v.a. eine gründliche klinische Untersuchung und der Nachweis einer Ketonurie ausschlaggebend für die Diagnosestellung. Zusätzlich kann eine Erhöhung der freien Fettsäuren im Plasma und ein erhöhter β-Hydroxybutyrat-Spiegel im Blut (mittels Schnelltest) festgestellt werden.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen müssen neben einer akuten Mastitis auch eine Gebärparese (Hypokalzämie) und perforierte Labmagengeschwüre in Betracht gezogen werden.
Therapie
Die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen sind nur mäßig wirksam. Mittels Glukose-Dauerinfusion (mit 1 I.E. Insulin pro 3 g Glukose) und Zwangsfütterung per Magenschlundsonde kann versucht werden, erkrankte Kühe aus der Stoffwechselkrise zu führen.
Prophylaxe
Kühe sollten unbedingt mit einem geeigneten Ernährungszustand (body condition score zwischen 3,25 und 3,75) trockengestellt werden und diesen auch bis zur Kalbung halten. Auf diese Weise werden Geburtskomplikationen und verminderte Fresslust sowie die Ausbildung einer klinisch manifesten Ketose verhindert.
Quelle
- M. Metzner, W. Klee. Ausgewählte Kapitel aus dem Gebiet der Inneren Medizin der Wiederkäuer (abgerufen am 27.09.2019)