Erstversorgung des Neugeborenen
Definition
Die Erstversorgung des Neugeborenen beinhaltet die Erstmaßnahmen direkt nach der Geburt und die Erstuntersuchung U1 entsprechend der Kinder-Richtlinie innerhalb der ersten 2 bis 3 Stunden. In dieser Zeit haben sich in der Regel die Vitalfunktionen des Neugeborenen so weit stabilisiert, dass die Hebamme das Neugeborene aus ihrer unmittelbaren Verantwortung entlassen kann.
Erstmaßnahmen nach der Geburt
In den ersten Minuten nach der Geburt kommt es beim Neugeborenen zum
- Entfalten der Lungen
- Einsetzen der Atmung
- Umstellung des Herz-Kreislauf-Systems
- Temperaturregulierung
- Veränderung der Sinneswahrnehmung
Durch verschiedene Maßnahmen werden geeignete Bedingungen für diese Anpassungen geschaffen und so die Umstellung vom intrauterinen zum extrauterinen Leben des Kindes unterstützt. Sie umfassen u.a.:
- Absaugung der Atemwege. Sie sollte nur bei begründetem Aspirationsverdacht vorgenommen werden. Routinemäßiges Absaugen ist nachweislich mit Komplikationen wie Schleimhautläsionen, Bradykardie, Apnoe und langsamerem Anstieg der Sauerstoffsättigung assoziiert.
- Erhebung des Apgar-Scores
- Abnabelung
- Wärmeerhalt durch Abtrocknen und ggf. Wärmezufuhr (z.B. mit einem vorgewärmten Tuch oder unter einer Wärmelampe)
- Bonding mit direktem Hautkontakt zur Mutter oder zum Vater
- Sichtkontrolle auf offensichtliche Fehlbildungen oder Verletzungen
- Beobachtung von Atmung, Muskeltonus und Hautkolorit Diese Maßnahmen erfolgen unmittelbar nach der Geburt und richten sich nach dem klinischen Zustand des Neugeborenen. In stabilen Fällen kann das Kind direkt nach dem Bonding zur U1 weitergeleitet werden. Bei Auffälligkeiten erfolgt eine erweiterte Diagnostik oder ggf. eine notfallmedizinische Intervention.
Abgrenzung zur Reanimation
Zeigt das Neugeborene Auffälligkeiten wie fehlende Spontanatmung, eine Herzfrequenz unter 100/min oder eine blasse bis zyanotische Hautfarbe, gehen die Erstmaßnahmen in eine standardisierte Reanimationssequenz über (Neugeborenenreanimation). Diese richtet sich nach den aktuellen Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) und umfasst u. a. eine suffiziente Beatmung, ggf. Herzdruckmassage und medikamentöse Behandlungen.
Weiterführende Versorgung
Bei unauffälligem klinischem Zustand wird das Neugeborene nach der Erstversorgung zur U1 übergeleitet. Diese umfasst eine gründliche körperliche Untersuchung, ggf. Blutentnahme (Nabelschnur-pH, Blutzucker bei Risikokonstellationen) sowie die Erfassung geburtshilflicher Parameter. Gleichzeitig wird das Kind in die reguläre postnatale Betreuung (z.B. im Rooming-in mit der Mutter) überführt.