Diabetes renalis
von altgriechisch: διαβαίνειν ("diabainein") - hindurchfließen und lateinisch: ren - Niere
Synonyme: Nierendiabetes, Diabetes innocens, Diabetes innocuus, Nierenharnruhr und normoglykämische Glucosurie, primäre renale Glukosurie
Englisch: renal diabetes
Definition
Der Diabetes renalis ist eine Funktionsstörung der Niere, bei der es zu einer verringerten Rückresorption von Glukose im Tubulus kommt. Er ist nicht zu verwechseln mit dem Diabetes insipidus renalis.
Epidemiologie
Die Verbreitung des Diabetes renalis in der Bevölkerung wird nicht systematisch erfasst, sodass es keine verlässlichen epidemiologischen Daten gibt. Schätzungen zufolge liegt die Inzidenz der Erkrankung in der allgemeinen Bevölkerung bei etwa 0,3%.
Einteilung
Primäre Form
Die häufigere primäre Form des Diabetes renalis ist angeboren und äußert sich durch eine kontinuierliche Glukosurie. Sie entsteht durch eine Loss-of-Function-Mutation im Gen von SGLT-2, der ein Natrium-gekoppelter Glukose-Kotransporter im proximalen Tubulus ist. Möglich sind auch Mutationen des SGLT-1-Gens oder des GLUT2-Gens. Durch den Ausfall der Glukosetransporter ist die Nierenschwelle für Glukose deutlich herabgesetzt, d.h. die glomerulär filtrierte Glukosemenge überschreitet die maximale Kapazität der Transportproteine.
Sekundäre Form
Im Zusammenhang einer Schwangerschaft kann ein erworbener, kurzzeitiger Diabetes renalis entstehen, der auch Schwangerschaftsglukosurie genannt wird. Als Ursache werden hier hormonelle Faktoren angesehen. Weitere Ursachen für einen erworbenen Diabetes renalis sind akute oder chronische Entzündungen sowie degenerative Veränderungen der Niere.
Klinik
Der Diabetes renalis geht mit einem hyperosmolaren Endharn, Polyurie, Glukosurie, Polydipsie und Polyphagie einher. Gelegentlich kann es auch zu milden Hypoglykämien, Dyspnoe, Müdigkeit, Schwäche oder Nervosität kommen. Die Glukosetoleranz ist normal, die Patienten haben außerdem keinen erhöhten Blutzuckerspiegel.
Durch den fehlenden elektrogenen Transport von Glukose im Symport mit Natriumionen sind Elektrolytstörungen möglich.
Pharmakologie
SGLT-2-Inhibitoren wie Dapagliflozin imitieren den pathophysiologischen Mechanismus des Diabetes renalis und lösen über eine reversible Hemmung von SGLT-2 eine gezielte Glukosurie aus. Sie werden zur Therapie des Diabetes mellitus eingesetzt.