Autismus-Spektrum-Quotient
Wir werden ihn in Kürze checken und bearbeiten.
Wir werden ihn in Kürze checken und bearbeiten.
Definition
Der Autismus-Spektrum-Quotient, kurz AQ, ist ein psychometrischer Selbstbeurteilungsfragebogen zur Erfassung autistischer Merkmale bei Jugendlichen und Erwachsenen mit durchschnittlicher oder überdurchschnittlicher Intelligenz. Er dient der dimensionalen Erfassung autismustypischer Traits im Sinne eines Kontinuums und ist kein diagnostisches Instrument zur Feststellung einer Autismus-Spektrum-Störung.
Abgrenzung
Der AQ ist von diagnostischen Verfahren wie dem Autism Diagnostic Observation Schedule (ADOS) oder dem Autism Diagnostic Interview – Revised (ADI-R) abzugrenzen, die als Goldstandard in der Autismusdiagnostik gelten.
Hintergrund
Der AQ wurde 2001 von Simon Baron-Cohen und Mitarbeitenden entwickelt, um autistische Merkmale auch unterhalb diagnostischer Schwellen systematisch erfassen zu können. Das Instrument basiert auf dem Konzept eines Autismus-Spektrums, bei dem entsprechende Merkmalsausprägungen kontinuierlich in der Allgemeinbevölkerung verteilt sind.
Neben der Originalversion existieren mehrere Adaptationen, darunter der AQ-10 als Kurzversion für ein rasches Screening sowie Fremdbeurteilungsvarianten für Kinder und Jugendliche (AQ-Child, AQ-Adolescent). Darüber hinaus liegen validierte Übersetzungen in zahlreichen Sprachen vor, darunter eine deutschsprachige Version.
Aufbau
Der Autismus-Spektrum-Quotient umfasst 50 Items, die fünf Inhaltsbereiche abbilden:
- soziale Fähigkeiten
- Aufmerksamkeitswechsel
- Aufmerksamkeit für Details
- Kommunikation
- Fantasie
Die Items werden auf einer vierstufigen Likert-Skala beantwortet („stimme voll zu“ bis „stimme überhaupt nicht zu“). Für die Auswertung werden die Antworten dichotomisiert, wobei jede autismuskonforme Antwort mit einem Punkt bewertet wird. Der Gesamtwert liegt zwischen 0 und 50 Punkten.
Auswertung und Interpretation
Höhere AQ-Werte sprechen für eine stärkere Ausprägung autistischer Merkmale. In der Originalpublikation wurde ein Cut-off von ≥32 Punkten vorgeschlagen, oberhalb dessen das Vorliegen einer klinisch relevanten autistischen Symptomatik wahrscheinlicher ist. Dieser Schwellenwert besitzt jedoch ausschließlich orientierenden Charakter. In der Allgemeinbevölkerung liegen die Mittelwerte typischerweise bei etwa 15–18 Punkten, während Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung häufig Werte von 30 Punkten oder mehr erreichen. Die Interpretation des AQ sollte stets kontextbezogen erfolgen und klinische Anamnese, Fremdbeurteilungen sowie entwicklungsanamnestische Informationen berücksichtigen.
Indikation
Der AQ findet Anwendung in der klinischen Screeningdiagnostik, in der Forschung zu autistischen Traits sowie in epidemiologischen Studien. Darüber hinaus kann er im Rahmen einer orientierenden Differenzialdiagnostik bei sozial-interaktionellen Auffälligkeiten eingesetzt werden. Er ist insbesondere für Personen ohne Intelligenzminderung konzipiert und nicht für die alleinige Diagnosestellung geeignet.
Psychometrische Güte
Der Autismus-Spektrum-Quotient weist eine gute interne Konsistenz sowie eine solide Konstruktvalidität auf. Zahlreiche Studien belegen seine Eignung zur dimensionalen Erfassung autistischer Merkmale in klinischen und nichtklinischen Populationen.
Limitationen
Der Autismus-Spektrum-Quotient ist ein Selbstbeurteilungsinstrument und daher von der Introspektionsfähigkeit der untersuchten Person abhängig. Die Spezifität ist begrenzt, da erhöhte Werte auch bei anderen psychischen Störungen, insbesondere bei sozialer Angst oder Depression, auftreten können. Zudem werden geschlechts- und kulturabhängige Antwortunterschiede diskutiert. Der AQ ist kein Bestandteil der diagnostischen Kriterien von DSM-5 oder ICD-11 und ersetzt keine klinische Diagnostik.
Literatur
- Baron-Cohen, S., Wheelwright, S., Skinner, R., Martin, J., & Clubley, E. (2001). The autism-spectrum quotient (AQ): evidence from Asperger syndrome/high-functioning autism, males and females, scientists and mathematicians. Journal of autism and developmental disorders, 31(1), 5–17. https://doi.org/10.1023/a:1005653411471
- Ruzich, E., Allison, C., Smith, P., Watson, P., Auyeung, B., Ring, H., & Baron-Cohen, S. (2015). Measuring autistic traits in the general population: a systematic review of the Autism-Spectrum Quotient (AQ) in a nonclinical population sample of 6,900 typical adult males and females. Molecular autism, 6, 2. https://doi.org/10.1186/2040-2392-6-2