Atypische adenomatöse Hyperplasie
Definition
Die atypische adenomatöse Hyperplasie, kurz AAH, ist eine neoplastische, präinvasive, klonale Proliferation alveolärer Epithelzellen. Sie gilt als früheste morphologische Vorläuferläsion des Adenokarzinoms der Lunge, insbesondere des lepidisch wachsenden Typs.
Epidemiologie
AAH ist meist ein inzidenteller Befund bei älteren Erwachsenen, typischerweise in CT-Screeningprogrammen bei Risikopatienten (z.B. Rauchern). In Autopsiestudien liegt die Prävalenz bei etwa 2 bis 5 %.
Pathogenese
Die AAH gilt als präinvasive Neoplasie innerhalb des progressiven Spektrums:
- AAH → Adenocarcinoma in situ (AIS) → minimal-invasives Adenokarzinom (MIA) → invasives Adenokarzinom
Genetisch lassen sich bereits mutationsgetriebene Veränderungen nachweisen, z.B. in EGFR, KRAS oder BRAF - allerdings in geringer Häufigkeit.
Radiologische Diagnostik
AAH ist typischerweise ein subsolider, kleiner Lungenrundherd, der bildgebend von anderen nodulären Läsionen unterschieden werden muss. Charakteristische Befunde sind:
- Durchmesser < 5 (-10) mm
- reiner Milchglasherd, d.h. keine solide Komponente
- scharfe, glatte Begrenzung
- keine spikulierten Ränder, pleurale Einziehungen, vaskuläre Konvergenz oder Aerobronchogramm
- meist subpleural gelegen, häufig im Oberlappen
- In Verlaufskontrollen über Monate oder Jahre kein oder nur langsames Wachstum und keine Veränderung der Dichte
Beachte: Ein PET/CT ist nicht geeignet für die Differenzialdiagnostik typischer AAH. Aufgrund der geringen Zellzahl und fehlenden metabolischen Aktivität bleibt die FDG-Aufnahme niedrig oder aus. Eine negative PET-CT schließt allerdings ein früh invasives Adenokarzinom nicht sicher aus, da auch dieses eine geringe Aktivität zeigen kann.
Differenzialdiagnostik
Die Unterscheidung zwischen AAH, AIS und MIA ist radiologisch nicht immer eindeutig, insbesondere weil die Läsionen ein Spektrum darstellen. Die definitive Diagnose kann nur histologisch erfolgen.
| Merkmal | AAH | AIS | MIA |
|---|---|---|---|
| Größe | ≤ 5 mm | ≤ 3 cm | ≤ 3 cm |
| Konsistenz | Milchglas | Milchglas | Milchglas mit solider Komponente ≤ 5 mm |
| Begrenzung | glatt, regelmäßig | glatt oder leicht lobuliert | oft leicht unregelmäßig |
| Vaskuläre Zeichen | keine | keine oder diskret | ggf. vaskuläre Konvergenz |
| Aerobronchogramm oder Bubble-Like Lucency | nein | selten | gelegentlich |
| Reticulation Sign | nein | möglich | möglich |
| Dynamik im Verlauf | stabil über Jahre | langsam zunehmend | zunehmende Dichte bzw. größenprogrediente solide Komponente |
Pathologie
Histologisch zeigt die AAH eine monoklonale Proliferation leicht atypischer alveolarer Epithelzellen, die lepidisch entlang der Alveolarsepten wachsen. Typisch sind atypische, hyperplastische Typ-II-Pneumozyten oder Keulenzellen mit leichten Kernatypien und erhaltenem alveolären Architekturmuster. Eine Invasion der Basalmembran, fibrotische Stromareaktionen, eine Lymphangiosis carcinomatosa oder Nekrosen liegen nicht vor.
Eine AAH lässt sich histologisch nicht zuverlässig durch minimalinvasive Verfahren sichern (z.B. transbronchiale Biopsie), da sie sehr klein und zellarm ist. Ein sicherer histologischer Nachweis gelingt in der Regel nur durch chirurgische Keilresektion, was bei einem stabilen Befund nicht gerechtfertigt ist. Ein Eingriff ist nur dann indiziert, wenn sich eine solide Komponente ausbildet, die Läsion größer wird, oder weitere Risikofaktoren bestehen.
Therapie
Eine AAH erfordert keine unmittelbare Therapie, sondern eine bildgebende Verlaufskontrolle, da das Risiko einer Progression zum invasiven Karzinom gering ist. Empfohlen werden:
- Isolierter Milchglasherd ≤ 5 mm, keine Risikofaktoren: keine routinemäßige Kontrolle erforderlich
- Isolierter Milchglasherd ≤ 5 mm, Risikopatient (z.B. Raucher, positiver Tumoranamnese): Low-Dose-CT nach 12 Monaten
- Milchglasherd > 5 mm: Kontrollen nach 6 bis 12 Monaten, dann jährlich für mind. 3 bis 5 Jahre
- Zunahme von Größe oder Dichte: Weitere Abklärung
Prognose
Die Prognose der AAH ist exzellent, da sie keine invasive Wachstumstendenz zeigt und in der überwiegenden Zahl der Fälle klinisch stabil bleibt. Die Progressionsrate zur invasiven Malignität beträgt weniger als 1 % pro Jahr.
Insbesondere Patienten mit multiplen AAH-Herden haben ein gering erhöhtes Risiko für synchrone oder metachrone Adenokarzinome der Lunge.