Aicardi-Goutières-Syndrom
nach den französischen Ärzten Jean François Aicardi und Françoise Goutières
Englisch: Aicardi-Goutieres syndrome
Definition
Das Aicardi-Goutières-Syndrom, kurz AGS, ist eine sehr seltene, autosomal-rezessiv vererbte Enzephalopathie, die klinische Ähnlichkeiten mit einer intrauterin erworbenen Virusinfektion aufweist. Die Erkrankung wurde deshalb auch als "Pseudotoxoplasmose-Syndrom" bezeichnet. Es lassen sich jedoch keine Erreger als Ursache nachweisen.
ICD10-Code: G93.4
Geschichte
Das Syndrom wurde erstmals 1984 von Jean Aicardi and Françoise Goutières beschrieben. Bisher sind weltweit nur etwa 50-100 Fälle dokumentiert.
Genetik
Inzwischen wurden mehrere Genloci lokalisiert, die das Aicardi-Goutières-Syndrom verursachen können. In fünf nicht verwandten Familien konnte eine Mutation des Gens TREX1 (AGS1) auf Chromosom 3p21 identifiziert werden. Weitere betroffene Gene sind RNAseH2B (AGS2), RNAseH2C (AGS3) und RNAseH2A (AGS4). Diese Gene kodieren für Enzyme, die im Rahmen des normalen Zellzyklus eine Rolle bei der Reparatur bzw. bei der Entfernung von Nukleinsäurefragmenten spielen.
Symptome
Kinder mit Aicardi-Goutières-Syndrom fallen in den ersten Lebenswochen durch unspezifische klinische Zeichen wie Schwierigkeiten beim Füttern, gelegentliche leichte Fieberschübe, Erbrechen, Zappeligkeit und ruckartige Augenbewegungen auf. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer psychomotorischen Retardierung.
Das weitere Symptombild umfasst unter anderem:
- Spastizität
- Bewegungsstörungen (dystone, unkoordinierte Bewegungen)
- Kontrakturen
- Krampfanfälle
- Hepatomegalie
- Splenomegalie
- frostbeulenähnliche Läsionen der Finger und Zehen
Ein großer Teil der betroffenen Patienten stirbt bereits in der frühen Kindheit.
Diagnostik
Labor
Bei der Liquoruntersuchung zeigt sich eine deutliche Erhöhung der Lymphozyten (Lymphozytose) und des Interferon alpha im Liquor - als Hinweis auf eine entzündliche Ursache. Im Blut lassen sich eine Thrombozytopenie und eine Erhöhung der Leberenzyme (Transaminasen) nachweisen.
Bildgebung
In der Computertomographie sieht man eine Hirnatrophie, eine Leukodystrophie und disseminierte intrazerebrale Verkalkungsherde. Der genetische Nachweis mittels Pränataldiagnostik ist nur möglich, wenn bereits ein Erkrankungsfall in der Familie als Referenz vorliegt.
Therapie
Eine kausale Therapie ist zur Zeit (2023) nicht verfügbar. Die Behandlung ist rein symptomatisch. Bei Krampfanfällen kommen Antiepileptika zum Einsatz. Die Spastik und die evtl. Entwicklung von Kontrakturen kann durch Physiotherapie günstig beeinflusst werden.