Medulläres Schilddrüsenkarzinom
Synonym: C-Zell-Karzinom
Englisch: medullary thyroid cancer, medullary carcinoma of the thyroid
Definition
Das medulläre Schilddrüsenkarzinom, kurz MTC, ist eine von den C-Zellen der Schilddrüse ausgehende Form des Schilddrüsenkarzinoms. Medulläre Schilddrüsenkarzinome produzieren das Hormon Calcitonin, was zur Diagnose und Verlaufskontrolle herangezogen werden kann. Sie machen etwa 5 % aller Schilddrüsenkarzinome aus.[1]
- ICD-10-Code: C73
Ätiologie
Rund 75 % der medullären Schilddrüsenkarzinome treten sporadisch auf. Etwa 25 % sind Folge eines MEN-Syndroms.[1] Durch ein MEN-Syndrom bedingte Karzinome treten in einem früheren Lebensalter auf (junge Erwachsene) und sind multizentrisch, während sporadische Formen im Alter (> 50) auftreten und häufiger solitär sind.
Mutationen des RET-Protoonkogens sind im Rahmen eines MEN 2 immer, bei sporadischen Formen manchmal vorhanden.
Pathologie
Das Zellbild ist eintönig und besteht aus polygonalen und spindelförmigen Zellen, die in Nestern, Balken oder follikelähnlichen Strukturen angeordnet vorliegen. Ein charakteristisches Merkmal medullärer Schilddrüsenkarzinome ist die Ablagerung von Amyloid (aus dem Calcitonin-Überschuss) im Stroma. Calcitonin kann immunhistochemisch angefärbt und dargestellt werden.
Eine Hyperplasie der C-Zellen, bei der Ansammlungen von C-Zellen über das Parenchym verteilt vorkommen, sollte den Verdacht auf eine familiäre Form erwecken, da die Hyperplasie bevorzugt bei einem MEN-Syndrom vorliegt.
Histopathologie
Metastasierung
Das medulläre Schilddrüsenkarzinom metastasiert früh lymphogen und später hämatogen vor allem in Lunge und Leber. MEN-bedingte Formen tendieren zu einer sehr frühen hämatogenen Aussaat.
Klinik
Mögliche Symptome sind eine vergrößerte Schilddrüse, Heiserkeit (durch Infiltration des Nervus laryngeus recurrens) und Dysphagie sowie andere Fehlfunktionen durch die Kompression umliegender Organe. Die Calcitonin-Konzentration im Serum ist gesteigert. Ab einem Grenzwert von ≥ 30 pg/ml bei Männern und ≥ 60 pg/ml bei Frauen kann mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem MTC gerechnet werden. Ein erhöhtes Procalcitonin ohne Nachweis einer bakteriellen Infektion sollte ebenfalls den Verdacht auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom lenken.
Diagnostik
Die Diagnostik beinhaltet die Tastuntersuchung der Schilddrüse, die Schilddrüsensonografie und die Sonografie der Halslymphknoten sowie die Bestimmung der Calcitonin-Konzentration im Blut.[1]
Zudem sollte eine Genanalyse zum möglichen Nachweis des RET-Protoonkogens erfolgen. Liegen Mutationen vor, müssen präoperativ ein möglicherweise ebenfalls vorliegendes Phäochromozytom bzw. ein Hyperparathyreoidismus ausgeschlossen werden.[1]
Besteht präoperativ bereits der Verdacht auf eine Fernmetastasierung (z.B. Calcitonin > 500 pg/ml, Lymphknotenmetastasen, klinischer Verdacht auf Fernmetastasen), erfolgt ein initiales Staging mit einer erweiterten radiologischen Diagnostik (z.B. CT Hals/Thorax/Abdomen und/oder MRT Abdomen, ggf. PET-CT).[1]
Bei Verdacht auf ein MEN-Syndrom sollte nach Möglichkeit ein Familienscreeing unternommen werden.
Therapie
Therapiestandard eines medullären Schilddrüsenkarzinoms ist die vollständige Thyreoidektomie mit Resektion der Halslymphknoten. Bei ausgedehnten Befunden (z.B. Infiltration von Oesophagus oder Trachea, mediastinale Lymphknotenmetastasen) wird das operative Vorgehen im Einzelfall und in Abhängigkeit der Resektabilität entschieden.[1]
Das medulläre Schilddrüsenkarzinom spricht nicht auf eine Radiojodtherapie an, da C-Zellen nicht am Jodumsatz beteiligt sind.
Zur Verlaufskontrolle von metastasierten medullären Schilddrüsenkarzinomen kann neben Calcitonin auch der Tumormarker CEA (Carcinoembryonales Antigen) verwendet werden.
Bei metastasiertem MTC ist die Behandlung abhängig vom klinischen Verlauf und dem Progress der Erkrankung. Da asymptomatische Patienten mit stabilem oder wenig progredientem Tumor ein geringes Risiko für einen raschen Progress im Verlauf haben, wird in diesen Fällen eine abwartende Haltung mit regelmäßigen Kontrollen empfohlen (Active Surveillance). Bei progredienten Verläufen kommen lokale Verfahren (operative Resektion von Metastasen, Bestrahlung) und systemische Therapien zum Einsatz. Zur systemischen Therapie werden Cabozantinib oder Vandetanib verwendet, wobei Vandetanib nur bei nachgewiesener Mutation des RET-Proonkogens empfohlen ist.[1]
Der Einsatz von Bisphosphonaten oder Denosumab ist im Einzelfall bei Knochenmetastasen möglich.
Prognose
Die 10-Jahres-Überlebensrate ist abhängig von der Ausbreitung des Karzinoms:
- Wachstum auf Schilddrüse begrenzt: 95 %
- Metastasierung in lokoregionäre Lymphknoten: 75 %
- Fernmetastasierung: 25 bis 50 %
Bei einem MEN auftretende medulläre Schilddrüsenkarzinome verhalten sich erheblich aggressiver, metastasieren frühzeitig und haben demnach eine schlechtere Prognose.
Sporadische Formen haben hingegen bei der üblichen Therapie eine ähnlich gute Prognose wie papilläre Schilddrüsenkarzinome.