Harnverhaltung
Synonyme: Harnverhalt, Harnretention, Ischurie
Definition
Formen
Entsprechend des Beschwerdebildes und Verlaufes unterscheidet man
- die akute schmerzhafte Harnverhaltung von
- der asymptomatischen chronischen Form, die häufig eine Überlaufinkontinenz zur Folge hat.
Ätiologie
Mögliche Ursachen sind
- Entzündungen des Harntraktes (Zystitis, Urethritis) oder der Prostata (Prostatitis)
- Medikamentennebenwirkungen (z.B. Anticholinergika)
- Abflussstauungen im Bereich von Harnblase oder Urethra in Folge
- Steinverlegung (Zystolithiasis, Urethralithiasis)
- Prostataerkrankungen (benigne Prostatahyperplasie, Prostatakarzinom)
- Harnröhrenstriktur, Harnröhrenklappen
- Harnblasenkarzinom
- Gebärmuttersenkung
- neurogene Blasenentleerungsstörungen
- diabetischer Polyneuropathie
- Wirbelsäulentumore oder -Metastasen
- Multipler Sklerose
- Querschnittssyndrom oder
- als Folge einer Epidural- bzw. Spinalanästhesie (postoperative Harnverhaltung)
- psychisch bedingter Harnverhalt
Klinik
- Anurie, Oligurie mit Harndrang
- Unterbauchschmerzen
- Vegetative Symptome (z.B. Kaltschweißigkeit, Tachykardie, Hypertonie)
- evtl. Überlaufinkontinenz (Harnträufeln)
Diagnostik
Die orientierende Diagnostik des akuten Harnverhalts umfasst die Palpation der Bauchdecke, die Diaphanoskopie und die sonographische Begutachtung des Füllungszustandes der Harnblase.
Die weitere Ursachenabklärung kann eine umfassende Diagnostik mittels bildgebender (MRT, CT, Urographie) oder endoskopischer (Urethroskopie, Zystoskopie) Verfahren erforderlich machen. Vor Röntgenaufnahmen mit Kontrastmitteln sollte das Serum-Kreatinin bzw. die GFR überprüft werden.
Therapie
Zur Entlastung ist eine Entleerung der Harnblase durch einen transurethralen oder suprapubischen Blasenkatheter indiziert, evtl. auch eine entlastende Blasenpunktion.
Früher wurde empfohlen, bei Volumina von über 500 bis 1.000 ml eine fraktionierte Entlastung vorzunehmen. Ein Grund dafür war die Befürchtung, dass der plötzlich entstehende Unterdruck eine Hämaturie, eine Hypotonie oder eine Polyurie provozieren könne. In Metaanalysen zu dieser Fragestellung konnte jedoch kein Vorteil einer fraktionierten Entlastung gezeigt werden.[1] Eine Hämaturie bei Entlastung ist zwar in 2-6% der Fälle möglich, genauso wie eine (zumeist sehr milde) Hypotonie; beides findet sich jedoch bei rascher Entlastung nicht häufiger. Daher wird es mittlerweile von den meisten Autoren als sicher angesehen, das gesamte Harnvolumen in Einem abzulassen.[2][3]
Komplikation
Aufgrund der Rupturgefahr der Harnblase gilt die akute Harnverhaltung als Notfall. Länger bestehende Abflussbehinderungen haben eine aszendierende Stauung des Harns in die Ureteren (Hydroureter) und Nieren (Hydronephrose, "Wassersackniere") mit nachfolgender Druckatrophie des Nierenparenchyms zur Folge.
Weitere Komplikationen sind:
Quellen
- ↑ Wu et al.: "The Effect and Safety of Rapid and Gradual Urinary Decompression in Urine Retention: A Systematic Review and Meta-Analysis" Medicina, 2022.
- ↑ Gasser T, Basiswissen Urologie, Springer, 2011
- ↑ Hofmockel G, Frohmüller H. Ausgewählte urologische Notfälle, Dtsch Arztebl 2002; 99(42): A-2780 / B-2367 / C-2221, abgerufen am 03.12.2019
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